Wer braucht schon Zauberfarben?
streift mir bereits die Haare zurück und fragt: „Wie ist das passiert?“ Ich ignoriere ihn.
„Macht es dir eigentlich Spaß, mich zu demütigen?“, will ich wissen.
„Kläre mich auf. Inwiefern demütige ich dich?“, hakt er nach.
„Du schläfst mit ihr. Kommst wahrscheinlich gerade von ihr. Sperrst mich zusammen mit der Frau hier ein, deren Identität ich gestohlen habe. Das ist fast schlimmer als die körperlichen Qualen, die mir Nadar bereitet hat. Das ist pure Folter“, erkläre ich.
„Ich will dir nicht wehtun Raven“, stellt er fest.
Schön langsam werde ich wütend. „Wie hast du dir das vorgestellt? Hältst mich als deine Gefangene, die in deinem Bett schläft. Weißt du eigentlich, wie demütigend das ist. Du legst mich in das Bett, indem du mit ihr liegst. Das ist grausam, gegenüber Hope und auch mir gegenüber. Du hast was du wolltest. Du hast die richtige Hope. Ich habe den Weg geräumt, bin gegangen. Wieso hast du trotzdem nach mir gesucht?“
Er mustert mich intensiv. Gefühlte Minuten antwortet er nicht, dann gesteht er: „Ich konnte dich nicht gehenlassen.“
„Wieso nicht?“, will ich wissen.
„Ich habe dich schon einmal verloren. Als ich glaubte, du verbrennst am Scheiterhaufen. Das konnte ich nicht noch einmal zulassen“, stellt er fest.
„Wieso nicht?“, hauche ich.
„Weil ich dich brauche“, antwortet er.
„Wieso?“ Er fährt sich ungestüm durchs Haar, lässt meine Frage aber unbeantwortet.
„Weißt du,“, breche ich unser Schweigen, „ich frage mich ständig, ob Nadar mir nicht doch eine Vision unserer Zukunft gezeigt hat. Unser Gespräch bei deinem Verhör hat alles offenbart, was zwischen uns steht. Im Grunde genommen stehen wir am Anfang. Weißt du noch, als ich einen Beweis verlangt habe, ob du mich auch gewählt hättest, wäre ich keine Ador? Heute weiß ich, wie dumm es war, dies zu verlangen. Natürlich wird es immer die Ador sein, die du wählen wirst. Du kannst gar nicht anders. Dein Zirkel würde sich gegen dich stellen, wenn du dich für eine schwarze Hexe entscheidest. Dann hätte mein Vater gewonnen – dein Feind. Das würde dich angreifbar machen. Das Gleichgewicht zerstören. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr mich diese Scheiße fertigmacht, in die sie mich reingezogen haben. Junus hat recht. Ich bin unsagbar naiv. Manchmal wünschte ich, wir wären uns nie begegnet.“ Der letzte Satz ist mir rausgerutscht.
„Ich würde den Moment unserer ersten Begegnung niemals missen wollen“, flüstert er. Seine Worte machen mich fertig.
„Was ist das zwischen uns?“, hauche ich erschöpft.
„Ich weiß es nicht“, gibt er zu.
„Ich werde es dir leicht machen“, fahre ich fort. „Entweder sie oder ich. Davon hängt es ab, ob ich hier unten im Kerker oder in deinem Bett schlafe. Entscheide dich. Aber bedenke, du kannst nicht beides haben.“
„Das kannst du nicht verlangen“, stößt er aufgebracht aus.
Mein Herz zieht sich krampfhaft zusammen. Würde er mich lieben, hätte er ohne zu zögern seine Entscheidung getroffen. „Dann entscheide ich es“, verkünde ich. „Ich wähle den Kerker.“
„
Nein
“, raunt er wild.
„Ich kann nicht mehr Beliar“, hauche ich. Tränen fluten erneut meine Augen. „Ertrage das nicht mehr. Ich bin unendlich erschöpft.“
Seine Hände umfassen meine Wangen. „Mein Verstand sagt mir, dass ich meine persönlichen Gefühle nicht über den Zirkel stellen kann.“
„Dann solltest du tun, was dein Verstand dir sagt. Gehst du diesen Weg, haben wir uns nichts mehr zu sagen Beliar“, stelle ich fest.
„Nein, wir gehen nicht so auseinander Raven. Nicht nach diesem Brief.“ Beliar hält mir den Brief hin, den er aus seinem Hemd gezogen hat und liest ihn laut vor:
„
Beliar,
Ich habe mich auf den ersten Blick in dich verliebt. Zwischen damals und heute ist viel passiert, aber dennoch stehe ich am Anfang. Ich habe keine Erinnerungen. Weiß nicht, wer ich bin. Da ist nur die Liebe zu dir und zu Junus in mir. Wie ein Anker hält sie mich fest, damit ich nicht vor Angst den Verstand verliere.
Ich weiß jetzt, dass ich keine Ador bin. Mein Name ist nicht Hope. Junus ist nicht mein leiblicher Bruder. Ich bin keine weiße Hexe.
Deine Tests waren erfolgreich. Mein Rücken schmerzt immer noch und den Geruch dieser ekelhaften Salbe bekomme ich nicht mehr aus der Nase. Die Angst vor den Schusswaffen und die daraus resultierende Abneigung gegen den Wein, den du mit deinem Blut versetzt
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