Wer braucht schon Zauberfarben?
Wow, wie abartig.
„GEBT EUCH ZU ERKENNEN,
HEXE
“, brüllt mich der blonde Highlander an. Ups. Hey, da ist man einmal ein bisschen frech und gilt gleich als Hexe.
Das Wort „Inquisition“ schrillt in meinem Kopf auf. Bleib ruhig.
Ich schreie laut in Gedanken. Ihre Pferde gehen sofort durch, werfen die Hälfte der Reiter ab. Das ist mein Stichwort. Wie eine Verrückte gebe ich dem Tier die Sporen.
Meine Magie beschleunigt es, aber einen von ihnen kann ich einfach nicht abschütteln. Meine Zauber können ihm nichts anhaben, er ist mir immer noch dicht auf den Fersen. Scheiße, was mach ich denn nun? Er reitet schon auf gleicher Höhe wie ich, schnappt nach meinen Zügeln und bringt uns zum Stoppen. Nicht gut. Gar nicht gut.
Schnell springe ich vom Pferd und ziehe mein Schwert, das ich mir vorhin gehext habe. Er macht dasselbe. Ich erkenne, dass es ihr blonder Anführer ist. Okay, ich hab echt Schiss vor ihm.
„Gebt auf!“, verlangt er mit erhobenem Schwert. Verdammt, gegen ihn hab ich keine Chance. Ich hatte grad mal ein paar Schwertkampf-Übungsstunden mit meinem Bruder. Das reicht nie für den ausgewachsenen, blutrünstigen Highlander-Inquisitor vor mir. Noch dazu trägt er eine Rüstung. Meinen Vater kann ich nicht zu Hilfe rufen, denn dann würde ich unsere Familie verraten. Schließlich ist er immun gegen Zauber.
Der Ritter brüllt und sprintet auf mich zu. Okay, ich hab Schiss. Er schwingt sein Schwert, das ich mit meiner Waffe zu parieren versuche. Sein Schlag geht mir durch Mark und Bein. Die Wucht des Aufpralls ist so gewaltig, dass mir mein Schwert aus der Hand geschleudert wird.
Ich taumle rückwärts, werde von dem Mann im nächsten Moment gepackt, der mir sofort sein Schwert an die Kehle hält und die Kapuze vom Kopf zieht. Bei mir hat gerade Schockstarre eingesetzt. Sogar ein leiser Schrei ist mir rausgerutscht.
In letzter Sekunde habe ich die weiße Magie in mir festgehalten. Ich hoffe inständig, er steht auf blonde Locken. Sein Blick spricht schon mal Bände. Mit dem Anblick hätte er wohl nie gerechnet.
Der junge Mann ist sichtlich im Zwiespalt, denn er meldet sich nicht auf die Rufe seiner Begleiter, die: „Habt Ihr sie gefunden Herr?“, von Weitem ausstoßen.
Das Herz schlägt mir bis zum Hals. Was, wenn er mich gleich abschlachtet? Wieso ist er immun gegen meinen Zauber, verdammt nochmal?
Der blonde Typ schüttelt den Kopf, als würde er seine Gedanken dadurch ordnen wollen. Grob zieht er mein Handgelenk in Sichthöhe. Vor dem Anblick weicht er zurück, lässt mich los. Ich stolpere rückwärts, will Abstand von seiner Waffe gewinnen. Kann es sein, dass er die Tätowierungen sehen kann? Aber er ist ein Mensch. Wie ist das möglich?
Erneut rufen seine Leute nach ihm. Er fährt sich energisch durchs Haar, daraufhin brüllt er: „Reitet zurück zum Lager. Ich komme gleich nach. Das war ein Befehl!“
Ich bin grad nur noch am Zittern. Wenn er sich gleich dazu durchringt, mir den Kopf abzuschlagen, hab ich ein Problem. Außerdem weiß ich nicht, wie lange ich die schwarze Magie noch in mir zurückhalten kann. Sollte ich gleich die Haarfarbe vor seinen Augen wechseln, wird er bestimmt durchdrehen.
Erneut richtet er das Schwert gegen mich und meint: „Was ist das für ein fauler Zauber,
Hexe
?“
„Was denn für ein Zauber?“, frage ich. Dabei versuche ich, mir meine Furcht in meiner Stimme nicht anmerken zu lassen, wenn ich meinen bebenden Körper schon nicht verbergen kann.
„Dein Gesicht, es ist …“ Er räuspert sich. „So … so …“ Ihm fehlen dir Worte.
„Was stimmt denn nicht mit meinem Gesicht?“, frage ich trotzig. Es liegt durchaus im Bereich des Möglichen, dass ich grad etwas gereizt bin. So ein Nahtoderlebnis kann einen schon mal aus der Bahn werfen.
„Ich hatte etwas anderes erwartet“, gibt er zu.
„Was hattest du denn erwartet? Eine alte Bucklige mit Warze auf der Nase?“, spotte ich.
„Ja, so in etwa würde die Beschreibung passen“, antwortet er. Ich ziehe die Augenbrauen hoch. Klassisches Vorurteil würde ich sagen.
„Du bist noch nicht sehr lange bei der Inquisition, oder?“, mutmaße ich.
Er reißt die Augen auf. „Ist das so offensichtlich?“, will er wissen.
Das lasse ich mal lieber so im Raum stehen. Stattdessen blicke ich auf sein Schwert und frage: „Willst du … also, willst du mir damit jetzt wehtun?“, hauche ich verängstigt. Ich hoffe, er steht auf die ängstliche Mädchen-Nummer. Dafür muss ich mich nicht mal
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