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Wer braucht schon Zauberfarben?

Wer braucht schon Zauberfarben?

Titel: Wer braucht schon Zauberfarben? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu Pera
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großartig verstellen, ich hab echt die Hosen gestrichen voll.
    Die Frage trifft ihn anscheinend unvorbereitet, denn er braucht deutlich länger, um zu antworten: „Ich muss dich nun inhaftieren und dich dem Inquisitionsgericht übergeben“, erklärt er.
    „Die mich dann am Scheiterhaufen verbrennen lassen. Natürlich nach einem ganz fairen Prozess“, ergänze ich seine Worte sarkastisch.
    „Höchstwahrscheinlich“, gibt er zu. Wieso macht mir dieses Wort gerade unsagbare Angst?
    Okay, also jetzt setze ich mal alles auf eine Karte. „Gut, dann tu, was du nicht lassen kannst, aber steck das Schwert weg. Ich habe doch sowieso keine Chance gegen dich“, fordere ich.
    Ich strecke ihm meine zitternden Hände entgegen, bereit, seine Fesseln zu empfangen. Dabei sehe ich ihm intensiv in die Augen. Eine Träne löst sich sogar aus meinem Augenwinkel. Mann bin ich gut im Bluffen.
    Ich will ihn heranlocken und ihn dann irgendwie außer Gefecht setzen, damit ich abhauen kann. Warte mal, er trägt eine Rüstung, da ist sogar seine Schwachstelle geschützt.
Verdammt
. Klassischer Planungsfehler. Was ist bloß los mit mir? So etwas wär mir früher nicht passiert.
    Er nickt, steckt das Schwert in die Scheide und zögert. Immer wieder blickt er hinter sich.
    „Wie alt bist du?“, will er wissen.
    „Ändert das etwas?“, kontere ich.
    „Ich will es einfach nur erfahren“, erwidert er.
    „Ich bin sicher, den Flammen ist es egal, wie alt ich bin“, spotte ich.
    „Raus mit der Sprache“, verlangt er energisch.
    „Sechzehn“, antworte ich. Ihm steht die Überraschung über mein junges Alter ins Gesicht geschrieben.
    „Wie alt bist du?“, will ich wissen.
    „Dreiundzwanzig“, haucht er.
    „Wie heißt du?“, frage ich nach.
    „Gillean.“
    „Ich bin Raven“, erwidere ich.
    Er nickt höflich.
    „Gillean?“, setze ich an.
    „Ja?“
    „Wie geht’s jetzt weiter, also ich meine, … wie lange wollen wir noch verdrängen, warum wir wirklich hier stehen?“ Ich lächle, weil das grad so eine komische Situation ist.
    Der Kelte rauft sich erneut die Haare. „Eine Weile noch, bis ich … mir im Klaren darüber bin, was ich mit dir machen soll“, erklärt er.
    „Du meinst, bis du entschieden hast, mir gleich hier den Kopf abzuschlagen oder mich zum Scheiterhaufen zu bringen“, stoße ich sarkastisch aus. Schwarzer Humor ist schon etwas Befreiendes.
    „Nein, ich überlege, dich laufen zu lassen“, informiert er mich. Ich ziehe die Augenbrauen hoch. Ist das ein Trick?
    „Wieso solltest du das tun?“, hake ich nach.
    „Das frage ich mich auch die ganze Zeit über“, gesteht er.
    „Gillean?“
    „Ja?“
    „Könntest du dich beeilen? Die Ungewissheit macht mir irgendwie Angst.“ Was ja nicht mal gelogen ist.
    Er streicht sich energisch übers Gesicht und verlangt: „Geh.“
    „Du lässt mich gehen? Einfach so?“, frage ich ungläubig nach.
    „Geh schon, bevor ich es mir anders überlege“, fordert er.
    Ich lächle. „Danke.“ Mann, noch mal Glück gehabt.
    Ich will schon an ihm vorbeigehen, da hält er mich am Arm fest. Mein Herz bleibt stehen, als er seine Pranke in meinem Haar versenkt. Die Locken auf seiner Hand sind schwarz geworden. Oh, oh.
    „Was zum …“, stößt Gillean aus. Er sieht fuchsteufelswild aus, packt mich fest am Schopf und zieht mich an sich heran. Scheiße, tut das weh. Vollkommen in Panik drücke ich mit den Händen gegen seinen Brustpanzer, um Abstand zu gewinnen – vergeblich.
    „Warte Gillean, das passiert einfach, das ist kein fauler Zauber. Meine Haare wechseln von alleine die Farbe“, versuche ich mich rauszureden, doch da hält er mir schon ein Tuch vor den Mund. Schlagartig raubt mir die Substanz darauf das Bewusstsein.
     
     
     

Petrol
     

    Ein stetes Tropfen hallt laut in meinem Kopf. Ich reiße die Augen auf, doch nur nach mehrmaligem Blinzeln erlangen die Bilder die nötige Klarheit. Okay, Alptraum.
    Ich bin in einer Zelle im Gruselkabinett gelandet. Hinter den Gitterstäben erkenne ich blutüberströmte Körper, die flach atmen. Ich höre das leise Wimmern einer Frau. Oh, oh. Jetzt sag nicht, ich bin in der Inquisitions-Folterkammer gelandet?
    „Ist alles in Ordnung?“, hauche ich der Frau in der Nebenzelle zu. Sie reagiert nicht. Ihr Arm sieht unnatürlich verdreht aus. Scheiße. Natürlich ist nichts in Ordnung – was für eine blöde Frage.
    Meine Handgelenke, die bereits bluten, sind mit einem biegsamen Ast gefesselt, der ein Brennen in meinem ganzen

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