Wer braucht schon Zauberworte? (German Edition)
will er mir etwa seine geben?
Nick sieht mich an und erklärt: „Also Hope. Die Kurzfassung: Wir sind allesamt Hexer. Es gibt Magie und wir können zaubern. Etwa so in
der
Art.“ Er tritt zurück, legt die Hände aufeinander, als würde er beten und öffnet sie gleich wieder. Zwischen seinen Handflächen brennt ein Feuerball. Einige Sekunden kann ich nur darauf starren. Wow, ähm. Ich glaube, ich dreh gleich durch.
„Du bist nicht verrückt“, wendet Nick ein. Okay. Betrachten wir das mal logisch. Ich meine, immerhin bin ich im Mittelalter gelandet – war ja klar, dass das nicht mit einer Zeitmaschine passiert ist. Schön langsam ergeben Lord Thalis‘ Worte auch irgendwie Sinn. Im Zeitalter von Hexenverbrennungen sollte man so etwas wie das hier nicht herumposaunen. Das erklärt auch, das sich in Luft Auflösen von Nick in der Kirche. Komisch, aber irgendwie bin ich erleichtert. Ich hatte schon an meinem Verstand gezweifelt.
„Respekt, du nimmst das ganz gut auf“, stößt Nick überrascht aus. Keine Ahnung, mein Verstand kommt noch nicht so ganz damit klar, aber das wird hoffentlich schon noch. Ich kralle mir die Kreide und kritzle an die Tafel:
Wenn ihr mich irgendwie verhext, streue ich Juckpulver in eure Betten.
Sie heben alle synchron die Augenbrauen. Lord Thalis hat ein Grinsen im Gesicht. Hey, was glotzt ihr so? Man sollte die Grenzen gleich klar abstecken.
So gesehen wundert es mich auch nicht wirklich, dass der Lord mit einer Handbewegung aus meinem Kleid einen Hosenanzug gemacht hat. Meine Hände zittern trotzdem. Was, wenn er sauer wird und aus mir eine Maus macht?
„Also Hope, zeig uns, was Körperbeherrschung bedeutet“, verlangt der Lord. Gut, das kann ich.
Ich trete an das hölzerne Pult, das vor der Tafel steht, heran. Nach ein paar tiefen Atemzügen, stemme ich mich in einen Handstand hoch. Sie klatschen. Das war ja noch gar nichts. Im nächsten Moment senke ich die zusammengelegten Beine in Zeitlupengeschwindigkeit. Als sie waagrecht auf die Seite zeigen, löse ich eine Hand vom Pult und hebe beide Beine wieder langsam in die Höhe. Mit dem freien Arm halte ich mich in Balance. Sie klatschen wieder. Die sind aber leicht zu unterhalten. Es wird Zeit, sie zu schocken.
Nachdem ich wieder mit beiden Armen im Handstand stehe, lasse ich die Beine schlagartig nach vorne fallen, in dem ich meine Wirbelsäule komplett verbiege, sodass mein Po meinen Hinterkopf berührt und ich die Beine komplett nach vorne weggestreckt halte. Sie haben sogar laut gestöhnt vor Verblüffung oder Angst. Das ist ziemlich schräg, was ich mit meinem Körper alles anstellen kann.
Jetzt knicke ich die Beine ab. Meinen Kopf strecke ich in den Nacken, damit ich ihre geschockten Gesichter sehen kann. Daraufhin strecke ich die Beine in einen Querspagat weg. Meine Arme zittern bereits und ich atme schnell. Das ist ziemlich anstrengend, also stelle ich mich aufs Podest und mache einen Rückwärtssalto mit Schraube zum Abschluss, der mich auf den Boden vor das Pult zurückbringt.
Applaus erfüllt den Raum. „Ausgezeichnet Hope. Wie hast du das erlernt?“, will Lord Thalis wissen.
Ich schreibe:
Ich habe an der Schaukel geturnt und bin runtergefallen. Da habe ich es so lange probiert, bis es geklappt hat
. Meine Worte scheinen ihn zu belustigen.
„Wie lange übst du das schon?“
Ich schreibe die Ziffer
9
an die Tafel. Der Lord stößt ein verblüfftes „9 Monate“ aus. Ich schüttle den Kopf und platziere neben der Zahl das Wort
Jahre
.
„Wie alt bist du?“
Ich schreibe:
17
.
Er klatscht beeindruckt. „Fast ein halbes Leben also. Seht ihr Schüler. Das ist absolute Körperbeherrschung. Jetzt sag mir Hope. Wie lange sprichst du schon nicht mehr?“
Ich schreibe
: Eine Weile.
„Was war der Auslöser?“, will der Lord wissen. Ich antworte nicht, denn die Bilder fluten ungebremst meinen Kopf.
„Der Unfall ihrer Eltern“, stößt Nick aus. Ich schüttle den Kopf und schreibe.
NEIN
.
„Nein?“, hakt der Lord nach.
Meine Hand zittert. Ich setze die Kreide an die Tafel an, zögere aber. Im nächsten Moment habe ich mich entschieden und schreibe:
Es war Mord
. Die Kreide rutscht mir aus der Hand und zerbricht auf dem Boden.
„Hast du es gesehen?“, will der Lord wissen. Ich muss hier raus. Schnell laufe ich zur Tür, die er mir mit der bloßen Kraft seiner Gedanken vor der Nase zuknallt.
„
Antworte
!“, fordert er. Schnell atmend balle ich die Fäuste und drehe mich zu ihnen um. An dem Tisch
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