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Wer den Himmel berührt

Wer den Himmel berührt

Titel: Wer den Himmel berührt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bickmore
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allein, und darum beneide ich sie. Ihren Mann dagegen beneide ich nicht. Ihr Sohn ist allerdings unwiderstehlich.«
    Cassie genoß ihre Besuche bei Fiona mehr, wenn Blake nicht da war, wenn sie ihn nicht sehen mußte. Fiona hatte sie mehrfach angerufen, wenn er kurz davor gestanden hatte, sich wieder von seinem Plastikarm zu trennen, und dann war sie hinausgeflogen und hatte heftig mit ihm gestritten. Aber das war jetzt alles vorbei. Dennoch hing ihr die Härte dieser Auseinandersetzungen noch nach.
    Fiona und sie hängten sich beieinander ein und stiegen die Stufen der Veranda hinunter. Sie machten sich auf den Weg zum Flugzeug auf dem Feld hinter den Nebengebäuden. Cassie trug ihre übliche Buschkleidung – eine maßgeschneiderte Gabardinehose, ein Baumwollhemd mit einem Halstuch, das sie umband, damit es den Schweiß auffing, Stiefel mit hohen Absätzen und ihren Stetson.
    Fiona hatte ebenfalls eine Hose an, trug dazu aber eine enganliegende Seidenbluse und Sandalen. Selbst in ihrer kostspieligen maßgeschneiderten Hose wirkte sie auffallend feminin.
    »Keine andere Frau im ganzen Busch sieht so aus, wie du es immer tust«, sagte Cassie zu ihr.
    »Blake gefällt es, wenn ich so herumlaufe. Ich habe mir angewöhnt, mich auch dann so zu kleiden, wenn er nicht hier ist. Und ich habe mir auch angewöhnt, nicht immer ein Kleid zum Abendessen anzuziehen, wenn er fort ist.«
    Cassie glaubte, es gäbe noch einen anderen Grund dafür, daß Fiona immer so aussehen konnte: Sie hatte zwei Kindermädchen, die sich um die Kleinen kümmerten. Fiona hatte nach der Geburt immer schnell wieder ihre frühere Figur, und Cassie konnte verstehen, warum Blake stolz auf sie war.
    Sam kam ihnen entgegen. »Ich habe gerade mit Horrie gesprochen«, rief er. »Wir haben einen Notruf.«
    »Ich bin bereit.« Cassie beugte sich vor, um Fiona auf die Wange zu küssen.
    »Ambrose Pulham ist getötet worden.«
    Cassie erinnerte sich gut daran, mehr als einmal Sylvia Pulhams blaues Auge gesehen zu haben, wenn sie auf einer Runde kurzer Sprechstunden einen Zwischenhalt eingelegt hatten, weil Sylvia schwanger war. Sämtliche fünf Kinder wirkten wie erstarrt vor Angst, wenn ihr Vater in der Nähe war. Das letzte Mal waren sie nicht wegen Sylvias Schwangerschaft gerufen worden, sondern weil der Kleinste von seinem hohen Kinderstuhl gefallen war und eine gebrochene Nase und eine Gehirnerschütterung hatte. Sie hatten ihn ins Krankenhaus fliegen müssen, und die Kinder hatten alle geschrien, als ihre Mutter mit dem acht Monate alten Baby ins Flugzeug gestiegen war. Cassie hatte nie an den Sturz von dem Kinderstuhl geglaubt.
    Als sie mit Chris darüber gesprochen hatte, hatte er, wie schon vor Jahren einmal, gesagt: »Es gibt nichts, was wir dagegen tun können, Cassie. Wir können uns nicht in Familienangelegenheiten einmischen.« Aber er fügte hinzu: »Himmel, hier in der Gegend wird soviel getötet wie im Krieg.«
    Als Cassie versucht hatte, mit Sylvia zu reden, hatte sie nur wieder und immer wieder erzählt, das Baby sei gestürzt. Nein, ihr blaues Auge käme daher, daß sie im Dunkeln in der Scheune gegen eine Tür gelaufen wäre – war das nicht zu dumm? –, und dann wäre sie gestolpert und hingefallen. Wie ungeschickt sie doch war. Nein, die Kinder fürchteten sich nicht vor ihrem Vater, es läge alles nur daran, daß sie Fremde so gar nicht gewohnt und in Cassies Anwesenheit eingeschüchtert wären.
    Und jetzt hatte Dan, der Älteste, seinen Vater getötet.
     
    Das Zwielicht war rosa und violett, als sie bei den Pulhams landeten und über den steinigen Boden holperten. Pulham hielt die Landebahn nie in gutem Zustand. Kein Wagen fuhr zu ihnen hinaus, um sie zu begrüßen, und Sam trug Cassies Arzttasche, als sie die halbe Meile zum Haus zu Fuß zurücklegten.
    »Hier sieht es immer gleich aus, und es klingt immer gleich«, sagte Cassie und lauschte dem Muhen der Rinder und dem Zwitschern der Vögel im Geäst, die sich gerade für die Nacht auf den Zweigen niederließen.
    »Hast du erwartet, daß alles tot ist?«
    »Vermutlich ja.« Cassie mußte rennen, um mit Sams federndem Gang schrittzuhalten.
    Sylvia erwartete sie auf der Veranda. Sie stand da und hatte einen Arm um einen Pfosten geschlungen. Sie trug eine saubere Schürze über ihrem Kleid und preßte sich ein blutiges rohes Steak auf ein Auge. Sie öffnete die Gittertür und wies mit einer ruckhaften Kopfbewegung auf das andere Ende des Wohnzimmers. »Er ist dort drin.« Sie folgte

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