Wer den Himmel berührt
zeichnete sich als Silhouette gegen den kobaltblauen Himmel ab.
»Ein Jabiru, ein australischer Storch«, sagte Jennifer, die Cassies Blickrichtung gefolgt war. »Früher haben wir unten in der Nähe des Billabong Picknicks veranstaltet, und Steven hat uns in unserem kleinen Boot herumgerudert.« Jennifer war deutlich anzumerken, daß sie diese Zeiten vermißte. »Aber kommen Sie jetzt, und sehen Sie sich an, was wir auf der Veranda aufgebaut haben. Sie müssen uns sagen, was Sie sonst noch alles brauchen werden. Sicher wollen Sie sich vorher frisch machen und etwas Kaltes trinken. Wie wäre es mit einem Sandwich?«
Cassie nahm mehr als ein Dutzend schwarze Frauen und Kinder zur Kenntnis, die vor der Treppe auf dem Rasen saßen.
»Das sind Familien einiger unserer Viehhüter. Sie leben dort drüben, weit hinter den Bäumen, in kleinen Hütten, die mehr Ähnlichkeit mit Zelten haben. Von hier aus können Sie sie nicht sehen. Wir versorgen sie mit Nahrungsmitteln, und nachdem wir Sie jetzt haben, wollen wir uns auch um ihre medizinische Versorgung kümmern. Als Blake damals eine Gouvernante hatte, habe ich all ihre Kinder herzlich willkommen geheißen, wenn sie unterrichtet werden wollten. Bedauerlicherweise haben nur wenige dieses Angebot genutzt. Wir gehören zwei verschiedenen Kulturen an, und wenn wir auch noch so gern möchten, daß sie unsere Kultur annehmen, dann tun sie es doch nicht bereitwillig.« Sie schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich können sie nicht verstehen, daß wir ihre Kultur nicht übernehmen und warum wir darauf beharren, in Häusern zu leben und so hart zu arbeiten, wie wir es tun.«
Die beiden Frauen hatten das obere Ende der breiten Treppe erreicht. Auf der rechten Seite der Veranda war ein langer Tisch aufgebaut und mit weißen Tüchern bedeckt worden. Auf der linken Hälfte, die mit Fliegengittern versehen war, standen bequeme Gartenmöbel, und von der Decke hing eine hölzerne Schaukel herunter. Cassie hatte noch nie ein so großes Haus gesehen.
»Schauen Sie sich um, und sagen Sie mir Bescheid, falls Sie sonst noch etwas brauchen.«
Das konnte Cassie erst wissen, wenn sie sich ein Bild davon gemacht hatte, von welchen Leiden ihre Patienten befallen waren. »Wie wäre es mit steril abgekochtem Wasser? Ich glaube, alles andere habe ich dabei. Ich hoffe, Sam bringt die Kiste aus dem Flugzeug.« Sie stellte ihre Arzttasche auf dem Tisch ab.
»Möchten Sie vielleicht ein Glas Eistee?«
»Das klingt gut. Sie müssen Ihren eigenen Generator haben.«
Jennifer lächelte. »Steven hat zu mir gesagt, wenn ich England verlasse, wird er dafür sorgen, daß es mir nie an etwas fehlen wird, was ich dort hätte haben können. Er hat sein Wort gehalten. Kürzlich hat er hinter dem Haus einen Swimmingpool angelegt. Alles verglast und von Käfigen mit Papageien, Wellensittichen und Kakadus umgeben. Bringen Sie das nächste Mal Ihren Badeanzug mit.«
»Ich dachte, wir wären hier im ausgedörrten Busch.«
»Die Quellen hier sind nie versiegt, aber dreimal in den dreißig Jahren, die ich hier verbracht habe, hatten die Dürren derart verheerende Auswirkungen auf das Land, daß wir neunzig Prozent unserer Herden verloren haben.«
Cassie starrte sie an.
Jennifer tätschelte ihren Arm. »Oh, es ist keineswegs alles problemlos verlaufen. Aber wie langweilig wäre das andererseits gewesen. Es war ein aufregendes und spannendes Leben. Dort können Sie sich frisch machen, und ich kümmere mich um den Eistee.«
Als Cassie eine halbe Stunde später auf die Veranda kam, um mit ihren ersten Routinebehandlungen zu beginnen, war die Kiste mit ihren Medikamenten da. Sie stand mitten auf dem Tisch, doch von Sam war keine Spur zu sehen.
Als sie an jenem Abend mit Jennifer und Steven zu Abend aßen, sagte Sam: »Ich glaube nicht, daß ich je in meinem Leben eine bessere Mahlzeit zu mir genommen habe.«
»Ruby ist schon seit mehr als zwanzig Jahren bei uns«, sagte Jennifer. »Wenn die Leute Ihnen erzählen, die Aborigines könnten nicht hart arbeiten oder würden immer wieder zu ihren Walkabouts aufbrechen, dann kennen sie die Eingeborenen nicht, die für uns arbeiten.«
»Es mag schon sein«, sagte Steven, »daß unsere Haushilfen und die Viehtreiber nicht regelmäßig ihre Walkabouts unternehmen, aber viele andere tun es.«
Jennifer lächelte. »Ich kann nicht behaupten, keiner von ihnen täte das, aber fest steht, daß wir hier jahrelang zuverlässige und hart arbeitende Hilfskräfte hatten.«
»Was
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