Wer den Himmel berührt
Mutter bekommen«, sagte sie. »Sie sagen, daß mein Vater noch vier bis sechs Monate zu leben hat.«
»O Fi.« Cassie umarmte die Freundin.
»Ich fahre nach Hause. Ich kann morgen mittag den Zug nehmen und in drei oder vier Tagen in Sydney sein und von dort aus mit dem Schiff weiterreisen.«
»Aber was ist mit deinem Job?«
Fiona brach in Tränen aus. »Daran darf ich gar nicht denken. Ich schaffe es einfach nicht. Sie werden jemand anderen dafür finden müssen.«
Cassie schlang die Arme um Fiona.
»Ich habe schon mit dem Packen begonnen. Du wirst dich doch um das Haus kümmern, nicht wahr?« Sie wartete gar nicht erst eine Antwort ab. »O Gott, in Irland wird es jetzt schrecklich sein, mitten im Winter. Ich hatte mir geschworen, nie mehr einen Winter in den grauen nördlichen Breiten zu verbringen.«
Sie saßen da und tranken Kaffee, während Fiona in Erinnerungen an ihren Vater schwelgte. Schließlich fragte sie: »Wie war die Party? Du mußt ein tolles Wochenende verbracht haben. Ich hatte dich gestern abend schon zurückerwartet.«
»Wir mußten zu einer Operation nach Bagley Waters fliegen.«
»Soll das heißen, daß du den Tag mit Arbeit zugebracht hast? Und ich dachte schon, du hättest deinen Spaß. Du hast endlich Blake Thompson kennengelernt, stimmt’s? Hat er dich aus den Latschen geworfen?«
Cassie fand, das sei nicht der rechte Zeitpunkt, um in die Einzelheiten zu gehen. »Er ist eine ziemlich beeindruckende Gestalt, findest du nicht auch?«
Fiona lachte. »Ich schätze, so kann man es auch sagen. Erzähl mir, war es eine tolle Party?«
Cassie nickte. »Es war einfach wunderbar. Ich kann mich nicht erinnern, jemals mehr Spaß gehabt zu haben.« Oder verblüffter gewesen zu sein, dachte sie.
»Die Leute hier sind einfach super.«
»Zumindest sind sie mit Sicherheit die freundlichsten Leute, die mir je begegnet sind.«
»Was ist mit Blake? Ich hatte so ein Gefühl, in dem Moment, in dem er dich sieht, wird er schwer rangehen. Hat er es getan?«
»Du meinst, er steht in diesem Ruf?« Cassies Herz sank.
»O Schätzchen, ein neues Mädchen kommt in die Stadt – und noch dazu ein gutaussehendes –, und alle setzen es als selbstverständlich voraus, daß Blake sie kriegt, ehe irgend jemand anderes auch nur eine Chance hat.«
»Und was dann?«
Fiona zuckte die Achseln. »Dann kommen der Reihe nach andere Kerle dran, aber nicht, ehe Blake mit ihr fertig ist. Das dauert im allgemeinen nicht allzulange.«
Genau das hatte sie befürchtet. Es ging gar nicht um sie. Es ging ihm um alles Neue, um jedes Mädchen, das er noch nicht ausprobiert hatte.
Ich kann nicht behaupten, ich sei nicht gewarnt worden.
»Willst du damit sagen, daß man ihm nicht trauen kann?«
Fiona stand auf und spülte ihre Tasse aus. »Ich glaube, er ist einer der am höchsten geachteten Männer in der ganzen Gegend. Zweifellos ist er der beliebteste, und das nicht nur bei den Frauen. Er kann gut mit Menschen umgehen, mit allen Menschen. Ich würde ihm Geld anvertrauen, aber nicht mein Herz.«
Cassie fragte: »Sprichst du aus persönlicher Erfahrung?«
Fiona hatte ihr den Rücken zugewandt. »So dumm bin ich nicht.«
Als sie später im Bett lag, überlegte sich Cassie, wie sehr sie Fiona vermissen würde. Vier bis sechs Monate. Das ist eine lange Zeit, dachte sie.
Sie schloß die Augen und erinnerte sich an Blakes Küsse. Spürte seine Arme, die um sie geschlungen waren. Sie war entrüstet über die Bereitwilligkeit, mit der sie auf ihn eingegangen war, doch selbst jetzt noch, vierundzwanzig Stunden später, schlug ihr Herz schneller, wenn sie an ihn dachte. Falls sie ihn jemals wiedersah, würde sie sich besser in acht nehmen.
Als sie daran dachte, daß Sam ihr gesagt hatte, sie sei ein netter Mensch, schlang sie die Arme um sich. Manchmal schien es, als sähe er das nicht so, als hielte er sie zwar für eine gute Ärztin, fände aber, sie verstünde nicht viel davon, eine Frau zu sein. Sie lächelte wieder vor sich hin, bis ihr einfiel, daß er außerdem gesagt hatte: »Man kann eine ganze Menge an dir aussetzen, Cassie Clarke …«
Sie setzte sich im Bett auf. Was hatte er damit gemeint, daß
eine Menge
an ihr auszusetzen war?
18
I m Zimmer roch es nach Tod.
Isabels Hände waren zu Fäusten geballt, Fortsätze am Ende ihrer Arme, so dünn wie Zündhölzer.
Cassie schlug
Rebecca
zu. Es war für sie zu einer unerfreulichen Aufgabe geworden, nachmittags herzukommen und vorzulesen.
»Ich bin ja so froh, daß
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