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Wer den Himmel berührt

Wer den Himmel berührt

Titel: Wer den Himmel berührt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bickmore
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angefangen?«
    »Gestern abend.«
    Cassie schüttelte den Kopf. Sie hatte keine Ahnung, was das sein konnte. Sie wandte sich an Sam. »Laß dir lieber Anweisungen geben. Ich glaube, ich sollte nach dem Kind sehen.« Sam kam ans Mikrofon.
    Cassie sagte: »Sag ihr, sie soll einen Koffer packen. Es kann sein, daß der Junge ins Krankenhaus gebracht werden muß. Möglicherweise möchte sie ihn begleiten.«
    Sam legte auf. »Wir sollten uns besser auf den Weg machen, wenn wir vor Anbruch der Dunkelheit wieder zurück sein wollen. Kannst du in einer halben Stunde fertig sein?«
    »Ich kann in drei Minuten fertig sein«, sagte sie.
     
    Eineinhalb Stunden später erreichten sie die mickrige Hütte, in der der kleine Junge in einem zerwühlten Bett lag. Ein schmächtiger Mann in schmutzigen Jeans und einem alten Hemd kam ihnen in der Nähe des Hauses entgegen. Der Zaun war reparaturbedürftig, und auch das Haus schien Ausbesserungsarbeiten zu benötigen. Es gab nur zwei Räume und die unvermeidliche Veranda, die sich um drei Seiten des Hauses zog. Cassie sah keine Tiere, keinen Garten, nur flaches Land. Noch nicht einmal eine Garage.
    »Ich glaube nicht, daß es etwas Schlimmes ist«, sagte der Mann mit weinerlicher Stimme. »Ein bißchen Blut, was macht das schon aus? Aber meine Frau glaubt, der Junge liegt im Sterben.«
    »Vielleicht hat sie ja recht«, sagte Cassie. Sie konnte ihn nicht leiden. Vielleicht kam es daher, daß seine Nase spitz war oder daß seine kleinen Augen glänzten. Sie fragte sich, weshalb eine Frau wohl in eine derartige Einöde gehen würde, um ihr Leben mit diesem Mann zu verbringen.
    Im Schlafzimmer lag der kleine Junge matt da. Er schaute Cassie teilnahmslos an, doch sowie Sam den Raum betrat, leuchtete Panik in seinen Augen auf, und er umklammerte mit beiden Händen die Bettdecke. Die Mutter hatte ihnen den Rücken zugewandt, als sie aufstand. Sie drehte sich nicht zu ihnen um, hob aber die Hand, um sie auf die rechte Wange zu legen. Cassie konnte sie nur von der linken Seite sehen, als sie auf das Bett zuging und sich neben den Jungen setzte. Erst als sie sich gesetzt hatte und aufblickte, sah sie die Mutter. Ihre rechte Gesichtshälfte war violett gefleckt, die Haut um ihr Auge herum schwarz, das Auge selbst blutunterlaufen, die Nase geschwollen.
    Sie sagte nichts, sondern forderte den Jungen auf, sich umzudrehen. Er fing an zu weinen. Und sie wußte, was ihm fehlte, obwohl sie mit einem solchen Fall bisher noch nicht in Berührung gekommen war.
    »Es wird alles wieder gut werden«, sagte sie zu ihm und wandte sich dann an die Mutter. »Er muß ins Krankenhaus gebracht werden. Haben Sie eine Tasche gepackt? Sie sollten besser mitkommen, weil er sich sonst zu sehr fürchten wird.« Sie wollte diese Frau hier rausholen.
    Der Mann mit der spitzen Nase sagte von der Tür her: »Sie braucht nicht mitzugehen. Sie können den Jungen zurückfliegen, wenn es ihm wieder bessergeht.«
    »Nein.« Cassie drehte sich zu ihm um und sah ihn an. »Es kann gut sein, daß der Junge operiert werden muß, und er wird sich weniger fürchten, wenn seine Mutter dabei ist.«
    »Operiert? Weshalb operiert? Was wird das kosten?«
    »Ich weiß es nicht. Aber die Lage ist sehr ernst. Hier, Sam, hilf Mrs. Higgins mit dem Koffer, und ich trage den Jungen.« Sie wandte sich an den Kleinen und sagte: »Ich werde dir nicht weh tun. Es wird alles wieder gut werden. Schling einfach die Arme um meinen Hals. Weißt du überhaupt, was du jetzt tun wirst? Du wirst in einem Flugzeug fliegen. Hoch oben am Himmel. Ich wette, du hast nie geglaubt, daß du eines Tages einmal fliegen wirst, stimmt’s? Du wirst mit den Vögeln oben am Himmel sein …« Während sie auf ihn einredete, setzte sie sich in Bewegung, lief an dem Vater vorbei, stieg die eine Stufe hinunter und lief vor Sam und der Mutter des Jungen her, durch den Staub. Der Junge legte den Kopf auf ihre Schulter.
    »Hast du schlimme Schmerzen?« fragte sie ihn.
    »Nicht ganz so schlimm«, antwortete er. »Nicht mehr so schlimm wie letzte Nacht.«
    Sowie sie in das Flugzeug gestiegen war, setzte Cassie sich hin und nahm ihn auf den Schoß. »Tut er das oft mit dir?«
    Der Junge blieb stumm, und Tränen traten in seine Augen. Dann begann er zu weinen.
    Sam half der Frau die Treppe hinauf. Sie hielt sich die Hand auf die rechte Gesichtshälfte.
    »Komm bloß bald zurück, Millie, hast du gehört?«
    Sie sah sich nicht nach dem Mann um. »Fast hätte er mich nicht anrufen

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