Wer einmal auf dem Friedhof liegt...
Idee von ihrer Größe. Ist es
eine Fabrikhalle, eine Werkstatt oder mehr ein Karnickelstall? Zum Glück ist
die Insel nicht sehr groß. Außerdem werden sich die Leute an den Ingenieur
erinnern. Ein Genie, das sich umgebracht hat...
Doch erst einmal schnüffle ich auf
eigene Faust herum, immer der Nase nach. Skeptisch gehe ich durch die Straßen
und Gäßchen. Zwei oder drei Schuppen könnten Désiris’ Werkstatt gewesen sein.
Dort wird im Moment pfeifend gearbeitet. Doch das will nichts heißen.
Inzwischen kann die Wirkungsstätte des Erfinders weitervermietet worden sein.
Ich kehre um und sehe mir den
Boulevard de Levallois an, der wie ein Art Ringstraße
an der Seine entlangführt. Eine Werkstatt für Karrosseriebau, eine andere für
Diebstahlsicherung, eine weitere für Federung und eine für Getriebe. Alles
nicht das, was ich suche. Ich gehe vorsichtig weiter. Bewege mich, als wären
hier Fußangeln ausgelegt. Heimlich, still und leise. Völlig verrückt.
Ich trete in ein ländliches Bistro,
das von einer Autopolsterei und einer Elektroschweißerei eingekeilt wird. Das
Bistro hab ich schon von der anderen Seite gesehen, von der es wie ein
Ausflugslokal für Verliebte wirkt. Die Serviererin ist vom Typ Lollobrigida,
mit einem Schuß Brigitte Bardot um den Mund. Der Hang zum Schmollmund hat alle
wie eine Krankheit erfaßt. Natürlich nur die Frauen. Ich bestelle was zu
trinken. Übers Wetter komme ich mit der Kleinen ins Gespräch, um sie
schließlich nach einer Werkstatt zu fragen, die zu vermieten sei. Man habe mir
versichert, daß ich hier auf der Île de la Grande-Jatte mein Glück finden
werde... Und von einem Ingenieur hätte ich gehört, der sich umgebracht habe.
„Sie haben doch bestimmt auch davon
gehört, oder?“
„Ja, natürlich! Aber seine
Werkstatt...“ Ihr Mund läßt BB vergessen. Erinnert jetzt an Ella Fitzgerald.
„...ob die noch zu vermieten ist...?“
„Wo ist denn die Werkstatt?“
„Am äußeren Ende der Insel, am
Boulevard Vital-Bouhot. Gar nicht zu verfehlen. Ein schwarzer Bretterschuppen.
Gehörte früher einem Monsieur Dupleix. Der Name steht noch überm Eingang.“
Ich erkundige mich nicht, ob dieser
Dupleix der Kerl von der Ostindischen Kompanie ist oder der, von dem im Radio so
oft geredet wird.
Der besagte Schuppen am Boulevard
Vital-Soundso steht etwas abseits. Eine Baumreihe und ein no man’s land, auf dem sich allerhand Eisenkram angesammelt hat, trennen ihn von einem
Autofriedhof und einer Werkstatt mit knatternden Motoren. Désiris’ Schuppen ist
ein geteerter Holzbau von schaurig-giftgrünem Aussehen. Die Scheiben eines
breiten Fensters und eines Oberlichts über der Tür sind kaputt oder völlig
verdreckt. Wie bei allen Werkstätten oder Fabrikhallen. Über dem Eingang sind
rotgepinselte Buchstaben zu sehen: DUP... Den Rest hat der Zahn der Zeit
gefressen, haben Sonne und Regen ausgelöscht. Vom
Boulevard führt ein durchfurchter Weg hierher. Früher hat wohl ein Zaun den
Zugang versperrt. Er ist immer noch da, versperrt aber nichts mehr. Das
altersschwache Tor hängt an der einzigen Angel, die ihr noch geblieben ist.
Während ich noch die Baracke
betrachte, reibt sich etwas an meinem Bein. Ein Hund schnüffelt an mir rum. Was
habe ich auch auf seinem Territorium zu suchen! Nachdem er mich als guten
Freund identifiziert hat, bettelt er mich an. Klar, er gehört zu den
Straßenkötern, die sich hier im allgemeinen von
Schrauben und Radkappen ernähren. Nach ‘ner Weile zieht er enttäuscht ab. Ich
hab leider keinen Knochen in der Tasche. Noch nicht. Jetzt trinkt er
wahrscheinlich einen Schluck Seinewasser.
Ich gehe auf den Schuppen zu. Die
Eingangstür ist verriegelt und verrammelt. Auf diesem Weg komme ich also nicht
weiter. Eine kleine Seitentür aber, wohl der Lieferanten- oder Künstlereingang,
erweist sich als zugänglicher. Sie ist nur mit einem einfachen Holzkeil
gesichert.
Das Innere der Hütte paßt zum Äußeren.
Das fröhliche Chaos wird nur noch durch fingerdicken Staub ergänzt.
Abgesehen von zwei Maschinen auf
Stahlsockeln kann weder die Miete noch der Kauf dieser Räumlichkeit Désiris in
den finanziellen Ruin getrieben haben. Auch nicht die weitere Einrichtung. Der
Boden besteht zu einem Drittel aus Holz, zu einem weiteren aus Zement und zum
dritten aus gestampfter Erde. Das Ganze macht einen hoffnunglos verlassenen
Eindruck. Durch das herrschende Halbdunkel sieht es auch nicht freundlicher
aus. Ich drehe am Lichtschalter, aber es leuchtet
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