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Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Titel: Wer einmal auf dem Friedhof liegt... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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die süßen Früchte der
Erfindung eines Selbstmörders zu ernten. Ehrenwerte Bürger, respektiert und
geachtet. Die Welt ist voll davon. Randvoll. Deswegen stinkt es manchmal zum
Himmel!

Nicht
alle Freitage sind fleischlos
     
    Es ist immer dasselbe. Es kommt, es
geht, es kommt wieder... Wie die Wellen des Meeres, mit derselben unermüdlichen
Macht. Ich kaufe ein freizügiges Herrenmagazin (mit Fotos von Frauen) an einem
Zeitungskiosk. Ich schlage es auf, und was halte ich in der Hand? Irgendeine
Technik-Zeitschrift mit Graphiken, schiefen Ebenen und Flächen, nüchternen
Skizzen, gewürzt mit weniger nüchternen Fotos von Yolande in aufregender
Aufmachung. Sie läuft vor Kurbelwellen, Rädern, Ventilen und Kolben davon, wird
verschlungen von dem vielen Eisen, von dieser teuflischen Höllenmechanik...
    ...und ich wache auf.
    Kurz darauf stehe ich wieder vor einem
Zeitungskiosk und kaufe mir ein freizügiges Herrenmagazin...
    Wie von der unermüdlichen Kraft des Meeres
hin- und hergeworfen, wälze ich mich in meinem Bett. Bis ich um neun Uhr
morgens die Schnauze voll habe. Weit weniger ermüdend ist es aufzustehen, zu
duschen, mich zu rasieren und mir eine Pfeife ins Gesicht zu stecken, um meinen
Kater zu vertreiben. Ein hoffnungsloses Unternehmen übrigens...
    Freitag, 7. November. Das Wetter ist
zum Kotzen. Paßt zu meiner Stimmung.
    Ich denke an Yolande. Eigentlich
wollte ich sie nach ihrer Unterhaltung mit Dany Darnys behüten. Hatte das
verdammte Gefühl, daß sie in Gefahr schwebte. Wie recht ich hatte! Aber die
Ereignisse haben mich überrollt.
    Verdammt nochmal! Diese Hohlköpfe
müssen bescheuert sein. Yolande weiß mit Sicherheit nicht mehr über Désiris’
revolutionäre Erfindung als ich. Hoffentlich merken die Kidnapper das bald und
lassen ihr Opfer frei. Vielleicht ist das Mädchen ja schon wieder wohlbehalten
bei ihrer Freundin. Wohlbehalten freigelassen, mit einem entschuldigenden
,Vergelts’s Gott’! Wie das ihre Art ist. So höflich, wie sie Yolande
gestern abend aufgefordert haben, ihnen zu folgen? Mit
einem kräftigen Schlag hinter die Ohren? Wohlbehalten freigelassen! Dann bete
mal schön und trink einen drauf, Nestor!
    Ich gehe in die Küche und gieße mir
tatsächlich einen hinter die Binde. Dann fahre ich in die Agentur. Nach kurzer
Sucherei finde ich einen Plan von Levallois, der Zwillingsstadt von Neuilly. Um
mein Gehirn in Gang zu bringen, studiere ich den Plan. Mit einem Bleistift
zeichne ich die Strecke nach, die Yolandes Entführer gestern nacht zurückgelegt haben. Von der Rue du Dobropol (Paris) bis zur Rue Gide
(Levallois), wo ich meine Verfolgungsjagd aufgeben mußte. Eine schwierige
Arbeit, spitzfindig und scharfsinnig. Guten Morgen, Sherlock Holmes! Wenn ich
jetzt noch die Haarfarbe der Kidnapper und das Alter ihres Chefs wüßte, würde
ich im Nu rauskriegen, wohin sie Yolande verschleppt haben. Also wirklich,
manchmal hab ich Ideen! Vor allem am frühen Morgen... Ich will die Karte gerade
in die Ecke schmeißen, als ich zwischen zwei Seinearmen die Île de la Grande-Jatte
entdecke, hingegossen wie ‘ne faule Schnecke...
    Vielleicht ist das wieder so eine
Guten-Morgen-Idee!
     
    * * *
     
    Das gelbliche Wasser der Seine
schimmert hier und da von langen Ölspuren. Zwischen zwei kahlen Bäumen, deren
tiefe Äste im Wasser hängen, erkenne ich ein Café auf Pfählen mit einem
Bootshaus. Die nackte Laube nebenan steht im Sommer bestimmt in Blüte. Zwei
schaukelnde Boote zerren an ihren Ketten, aber die Pflöcke geben sie nicht
frei. Für romantische Paare auf der Flucht vor dem Alltag mag das anders
aussehen, aber unter dem grauen Himmel wirkt die Szenerie eher traurig. Dazu kommt noch der schlechte Geschmack in meinem Mund und die
düsteren Gedanken in meinem Kopf. Ein schwarzes Wellblechfaß, das früher
irgendeinen Dreck befördert hat, dient jetzt als jämmerliche Boje. Fest in der
Flußmitte verankert, teilt es die Strömung und produziert zwei Wasserfurchen.
Manchmal hängt für ein paar Sekunden Treibgut an seinen Wänden, faulige Aste
oder ähnliches Zeug, das sich schnell wieder befreit und seinen Weg fortsetzt.
Aus einer entfernten Fabrik dringt dumpfes Maschinengeräusch an mein Ohr. Fehlt
nur noch ein aufgeschwemmter, grünlicher Hundekadaver, um das Bild zu
vervollständigen. Bei längerem Suchen läßt sich sowas bestimmt finden! Aber im
Augenblick suche ich nur die Werkstatt des toten Erfinders. Ich hab weder eine
Idee davon, wo sie sich befinden könnte, noch eine

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