Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Titel: Wer einmal auf dem Friedhof liegt... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
Vom Netzwerk:
Hals gefallen. Ihre Freundin
übrigens auch, was natürlich sehr viel angenehmer war... Oh, ich wollte Sie
nicht beleidigen! Aber das Mädchen hat nur geschlafen.“
    „Ja, sie hat so was Ähnliches wie
Drogen genommen.“
    „Hab ich gemerkt! Sie sollte besser
auf die Dosis achten. Ich hab sie aufs Sofa gelegt, und heute morgen ist sie weggegangen.“
    „Im Negligé und Pelzmantel?“
    „Hélène hat ihr ein Kleidchen gekauft.
Von Ihrem Geld, nehm ich an...“
    „Hélène?“
    „Ja, sie hat sich als
Operationsschwester betätigt. Hab kaum gewagt, sie aus dem Bett zu schmeißen
wegen... äh... Ihrer Freundin. Zumal die so gut wie nichts anhatte. Aber ich
brauchte Hilfe, und niemand eignet sich besser als Hélène...“
    „Ist sie noch da?“
    „Sie kommt um fünf wieder.“
    Mein Freund holt ein 7,65er Projektil
aus seiner Tasche. „Das haben wir in Ihrem Arm gefunden“, sagt er. „Hätte
schlimmer für Sie ausgehen können, mein Lieber. Hier, für Ihre Sammlung.“ Er
legt die Kugel auf den Nachttisch. „Aber erzählen Sie mir doch mal, was Ihnen
passiert ist. Vielleicht ist die Geschichte so spannend wie der Roman, den ich
inzwischen zu Ende gelesen habe.“
    Ich tue ihm den Gefallen.
    „Die Polizei wäre bestimmt scharf auf
Ihre Zeugenaussage, meinen Sie nicht?“
    Ich nicke schweigend.
    „Und ich operiere Sie, pflege Sie
und... gewähre Ihnen... äh... Unterschlupf. So nennt man das doch, oder?“
    „Ja. Wie in Ihrem Roman.“
    „Die Zeitungen sind übrigens voll
davon.“
    „Wovon?“
    „Von der Rue du Dobropol.“
    „Kann ich mal sehen?“
    „Ich bring Ihnen sofort die
Abendausgaben.“
    „Telefonieren müßte ich auch mal.“
    „Fühlen Sie sich wie zu Hause.“
     
    * * *
     
    Im Crépuscule lese ich:
     
    Eine mysteriöse Tragödie hat sich
heute nacht in einem Haus in der Rue du Dobropol (1 7. Arrondissement) abgespielt.
Pierre Brousse, über dessen Person sich die Polizei ausschweigt, wurde in der
Wohnung seiner Freundin Consuelo Mogador erschossen. Die Täter sind unerkannt
entkommen. Auch Mademoiselle Mogador ist verschwunden. Interessant ist, daß in
demselben Haus auch Yolande Mège wohnt, von der es seit Donnerstag abend kein
Lebenszeichen gibt. Die Polizei äußert sich nicht über einen möglichen
Zusammenhang zwischen den beiden Fällen.
     
    Ich sehe nach, ob auch über die Île de
la Grande-Jatte berichtet wird.
     
    WAR CHARLES DESIRIS EIN MASSENMÖRDER?
     
    Die Frage muß man sich stellen,
nachdem gestern in einer Werkstatt auf der Île de la Grande-Jatte, wo der
Ingenieur Charles Désiris... usw. usw. eine schreckliche Entdeckung gemacht
wurde. Das Opfer, das etwa im März dieses Jahres umgebracht wurde, ist
inzwischen identifiziert worden. Es handelt sich um Jean Chambefort (35), Angestellter des
Konstruktionsbüros von Dugat, wo auch Désiris bis Februar/März 1957 beschäftigt
war. Die wegen der fortschrittenen Verwesung der Leiche schwierige Autopsie
konnte die Todesursache nicht einwandfrei klären. Es kann sich jedoch nur um
ein Verbrechen handeln. Möglicherweise ist Désiris der Täter. Er hat am 7. März
dieses Jahres — also zu der Zeit, auf die die Gerichtsmediziner den Tod von
Chambefort festlegen — Selbstmord verübt, nachdem er seine Ehefrau erschossen
hatte.
    Warum hat sich Charles Désiris
umgebracht ? Im
April haben wir vermutet: Er war verzweifelt, weil er es nicht schaffte, seine
Erfindung zu Ende zu führen. Er konnte sein Scheitern nicht verkraften. Und
seine Frau hat er mit in den Tod gerissen, weil sie es entweder so wollte oder
weil er wahnsinnig geworden war. Heute erscheint ein weiteres Motiv
wahrscheinlich: Désiris hat auch Jean Chambefort getötet. Auch wenn der Fall
noch nicht restlos geklärt ist, so sprechen doch die Tatsachen für diese These.
Das Opfer ist in der ehemaligen Werkstatt des Selbstmörders vergraben worden.
An derselben Stelle ist spezielles Zeichenpapier gefunden worden,
Konstruktionspläne, die leider nicht mehr entziffert werden können, da sie
genauso lange wie das Opfer in der Erde gelegen haben. Wahrscheinlich aber sind
das die Pläne von Désiris’ Erfindung. Der Ingenieur hat möglicherweise
Chambefort umgebracht und dann — aus Reue oder Angst vor Strafe — sich selbst
gerichtet...
    Zwischenzeitlich tauchte die Frage
auf, ob das Opfer vorher gefoltert wurde. Tatsächlich sind Knochen gebrochen,
eine Hand ist zerquetscht. Erkundigungen bei Dugat haben jedoch ergeben, daß er
sich zu Hause beim Transport eines

Weitere Kostenlose Bücher