Wer einmal lügt
das Messer und stürzte sich wieder auf sie.
Wieder rein instinktiv versuchte Megan die lebenswichtigen Organe zu schützen. Die Kehle, das Herz und den weichen Unterbauch. Megan senkte den Kopf, so dass das Messer nicht an den Hals und die Brust kam, und drehte sich zur Seite. Die Messerspitze traf flach auf ihr Schulterblatt.
Wieder stieß Megan einen Schrei aus.
Die Schmerzen wurden stärker, aber das Messer hatte kaum mehr als die Haut durchbohrt.
Megan trat nach hinten und traf das gebeugte Knie der Blondine, so dass es wegknickte. Das Knie gab nach und sackte weg. Die Blondine fiel und versuchte sofort wieder aufzustehen.
Einen Moment überlegte Megan, ob sie weglaufen sollte. Nein. Die Blondine würde nicht am Boden bleiben. Und tatsächlich war sie schon fast wieder auf den Beinen. Sie war jünger und wahrscheinlich stärker und schneller als Megan, aber egal, wie oder was sonst noch passierte – ganz egal, wie das hier ausging –, Megan würde auf keinen Fall auf der Flucht mit einem Messer im Rücken sterben.
Auf gar keinen Fall.
Und so sprang Megan mit nur einem Gedanken im Kopf auf ihre Angreiferin zu:
Hol. Dir. Das. Messer.
Die beiden Frauen stürzten auf das Pflaster. Megan konzentrierte sich auf das Messer. Mit beiden Händen packte sie das Handgelenk der Blondine. Inzwischen war alles voller Blut, und beide Frauen waren von einem dunkelroten Film bedeckt. Weit hinten in ihrem Hirn erkannte Megan, dass sie sich beeilen musste. Sie verlor Blut – zu viel Blut. Wenn das noch länger so weiterging, würde sie einfach verbluten.
Megan drückte das Handgelenk ihrer Gegnerin nach unten, aber die Blondine ließ das Messer nicht los. Megan drehte die Hände so, dass sie der Blondine die Fingernägel in die dünne Haut innen am Handgelenk drücken konnte. Die Blondine schrie auf, lockerte den Griff ums Messer jedoch nicht. Megan drückte fester zu. Sie versuchte am Ende des Daumens, wo man den Puls fühlte, mit dem Fingernagel die Haut aufzuritzen. War das nicht eine Arterie?
Wieder stieß die Blondine einen Schrei aus, beugte den Kopf vor und rammte Megan die Zähne in den verwundeten Arm.
Megan heulte vor Schmerz auf.
Die Blondine biss fester zu, bis die Schneidezähne sich fast berührten. Das viele Blut tränkte ihre perlweißen Zähne rot. Megan drückte ihren Fingernagel fester ins Handgelenk.
Das Messer fiel zu Boden.
Und dann machte Megan einen Fehler.
Sie hatte sich so darauf konzentriert, das Messer zu bekommen, es aufzuheben und der Blondine immer wieder in den Körper zu stechen, bis nichts mehr von ihr zu erkennen war, dass sie sämtliche anderen Waffen im menschlichen Arsenal vergessen hatte.
Um an das Messer zu kommen, musste Megan das Handgelenk loslassen. Die Blondine, die gemerkt hatte, dass Megan sich völlig darauf konzentrierte, reagierte. Zuerst vollendete sie ihren Biss, indem sie den Kopf nach hinten zog und das Fleisch abriss und es auf den Boden spuckte.
Megan verdrehte vor Schmerz die Augen, so dass nur noch das Weiße zu sehen war. Als sie dann nach dem Messer griff, drehte die Blondine sich unter ihr zur Seite. Megan verlor die Oberhand und fiel mit dem Kopf voran zur Seite, ohne sich mit den Armen abfangen zu können.
Ihr Kopf prallte seitlich gegen die Stoßstange.
Sie sah Sterne.
Hol. Dir. Das. Messer.
Die Blondine krabbelte auf sie zu und trat nach Megans Kopf. Sie traf ihn voll und katapultierte ihn gegen die Stoßstange. Megan spürte, dass sie das Bewusstsein verlor. Einen Moment lang wusste sie nicht mehr, wo sie war, welche Zeit war oder sonst irgendetwas. Sie wusste nicht einmal mehr von der Blondine und spürte auch den nächsten Tritt nicht. Sie war nur noch von einem einzigen Gedanken besessen.
Hol. Dir. Das. Messer.
Die Blondine stand auf und trat Megan in die Rippen. Megan fiel benommen nach vorn. Sie spürte das Pflaster unter ihrem Kopf. Sie schloss die Augen. Ihre Arme lagen seitlich ausgebreitet neben dem Körper.
Megan konnte nicht mehr.
Ein Lichtstrahl glitt über sie, vielleicht von einer Taschenlampe, vielleicht von einem ankommenden Auto. Jedenfalls zögerte die Blondine dadurch einen Moment. Gerade lange genug. Ohne die Augen zu öffnen, strich Megan mit der Hand über das Pflaster.
Sie wusste noch, wo das Messer war.
Die Blondine stieß einen Schrei aus und stürzte sich auf Megan, um sie endgültig zu erledigen.
Doch jetzt hatte Megan das Messer. Sie drehte sich auf den Rücken und drückte den Messergriff so auf ihr
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