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Wer einmal lügt

Wer einmal lügt

Titel: Wer einmal lügt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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anständigen Bürger verteidigt.«
    »Das ist nicht fair, Cassie. Wenn er Ihnen Schmerzen zugefügt hat, hätten Sie zu mir kommen können.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Aber Sie verstehen es einfach nicht. Er war absolut durchgeknallt. Er sagte, wenn ich auch nur ein Wort erzähle, würde er mich mit einer Lötlampe quälen, bis ich ihm sage, wo meine Freunde leben, worauf er die dann auch umbringen würde. Und ich habe ihm das geglaubt. Wenn ich ihm in die Augen sah – und nach den Sachen, die er mir angetan hat –, habe ich ihm jedes Wort geglaubt.«
    Broome ließ die Worte einen Moment lang sacken. Dann fragte er: »Und was haben Sie dann getan?«
    »Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich eine Zeitlang verschwinden muss. Sie wissen schon, einfach für ein bis zwei Monate abtauchen. Er würde die Lust an mir verlieren, sein Leben fortsetzen, zu seiner Frau zurückkehren oder sonst irgendwas. Aber selbst davor hatte ich Angst. Ich wusste nicht, wie er reagieren würde, wenn ich einfach ohne seine Erlaubnis verschwand.«
    Sie brach ab. Broome wartete einen Moment. Dann gab er ihr das nächste Stichwort.
    »Sie sagten, Sie wären im Naturschutzgebiet gewesen?«
    Sie nickte.
    »Wo da?«
    Broome wartete. Als sie den Raum betreten hatte – ach, wenn Broome daran zurückdachte, wie sie damals ausgesehen hatte, früher –, hatte sie Ruhe und Selbstbewusstsein ausgestrahlt. Beides war inzwischen verschwunden. Sie sah auf ihre Hände, die sie nervös in ihrem Schoß knetete.
    »Ich stand auf diesem Pfad«, sagte sie. »Es war dunkel. Ich war allein. Dann hab ich vor mir im Unterholz ein Geräusch gehört.«
    Sie verstummte und senkte den Kopf. Broome versuchte, sie mit einer einfachen Frage zum Weiterreden zu bewegen: »Was haben Sie gehört? Was für ein Geräusch?«
    »Ein Rascheln«, sagte sie. »Wie von einem Tier oder so. Aber es wurde immer lauter. Und dann hat jemand – ein Mensch – geschrien.«
    Wieder verstummte sie und blickte zur Seite.
    »Was haben Sie daraufhin getan?«, fragte Broome.
    »Ich hatte ja keine Waffe. Ich war allein. Was hätte ich da schon tun können?« Sie sah ihn an, als erwartete sie eine Antwort. Als sie keine bekam, fuhr sie fort: »Zuerst habe ich rein instinktiv reagiert. Ich wollte abhauen, aber dann ist etwas passiert, worauf ich mich doch wieder umgedreht habe.«
    »Was?«
    »Auf einmal war es ganz ruhig. Als ob jemand einen Schalter umgelegt hätte. Totale Stille. Ich habe ein paar Sekunden gewartet. Es war aber nichts mehr zu hören. Nur mein eigenes Atmen. Ich hab mich ganz nah an einen großen Felsen gedrückt und bin ganz langsam drum herum geschlichen – in die Richtung, aus der das Rascheln gekommen war. Als ich dann weit genug herum war, hab ich ihn gesehen.«
    »Stewart Green.«
    Sie nickte.
    Broome hatte einen trockenen Mund. »Wenn Sie sagen, Sie haben ihn gesehen …?«
    »Er lag auf dem Rücken. Mit geschlossenen Augen. Ich hab mich zu ihm runtergebeugt und ihn berührt. Er war voller Blut.«
    »Stewart?«
    Sie nickte.
    Broome verließ der Mut. »War er tot?«
    »Das dachte ich zumindest.«
    Mit einem Anflug von Ungeduld hakte er nach: »Und was soll ›das dachte ich zumindest‹ heißen?«
    »Ich bin weder Psychiater noch Arzt«, fauchte sie. »Ich kann Ihnen nur erzählen, was ich damals gedacht habe. Ich habe gedacht, er wäre tot. Aber ich habe keinen Puls gefühlt oder so was. Ich war sowieso schon voll mit seinem Blut, außerdem hatte ich furchtbare Angst. Es war ganz merkwürdig. Einen Moment lang ist die Zeit ganz langsam gelaufen, und ich habe so etwas wie Glückseligkeit verspürt. Ich weiß, wie das klingt, aber ich habe ihn nun einmal gehasst. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr ich ihn gehasst habe. Und mein Problem, tja, das hatte sich auch erledigt. Stewart war tot. Dann folgte jedoch ganz schnell die Ernüchterung. Mir wurde klar, was passieren würde, und jetzt behaupten Sie bitte nicht, ich wäre unfair Ihnen gegenüber. Ich hatte ganz genau vor Augen, wie das Ganze ablaufen würde. Ich würde loslaufen und eine Telefonzelle suchen – ich hatte damals noch kein Handy, die waren auch noch nicht sehr verbreitet –, die Polizei anrufen und das melden. Ihr Cops wärt gekommen, hättet euch das angeguckt und herausbekommen, dass er mich schikaniert hat. Alle hätten erzählt, was für ein netter Familienmensch er ist und wie die Stripperin und Hure ihn sich hörig gemacht hatte und so weiter, na

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