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Wer einmal lügt

Wer einmal lügt

Titel: Wer einmal lügt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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abgewandt, aber manche, wie Barbie, hatten hingucken müssen. Die Todesqualen in den Gesichtern der Sünder faszinierten sie, zogen sie in ihren Bann und machten sie ganz kribbelig.
    Als Ken Doug Waites’ Fesseln schließlich wieder löste, gab er ihm eine einfache Warnung mit auf den Weg. »Wenn du je davon erzählst, werde ich dich suchen, und es wird noch schlimmer.«
    Die folgenden beiden Tage hatte Doug Waites kein Wort gesprochen. Am dritten war er abgeholt worden. Weder Barbie noch Ken hatten danach je wieder etwas von Waites gehört.
    Sie hatten weiter als Gruppenleiter gearbeitet und gelegentlich andere diszipliniert, wenn sich die Notwendigkeit ergab. Wie zum Beispiel einen garstigen Jungen, der andere gnadenlos schikaniert hatte. Oder einen anderen Gruppenleiter, der Alkohol ins Camp geschmuggelt und den jungen Campern gegeben hatte. Beide hatten sie an dieselbe Stelle im Wald mitgenommen.
    Irgendwann taten Ken und Barbie etwas, das viele für einen Fehler halten mochten. Sie folterten einen widerwärtigen jungen Mann – er hatte sich in einen Mädchenschlafraum geschlichen und einen BH besudelt –, übersahen dabei jedoch, dass der Vater des widerwärtigen jungen Mannes einer der bedeutendsten Mafia-Bosse in New York war. Als sein Vater erfuhr, was geschehen war – er hatte seinen Sohn so lange unter Druck gesetzt, bis der ihm schließlich alles erzählte –, schickte er seine beiden besten Männer, damit die sich um Ken und Barbie »kümmerten«. Doch Ken und Barbie waren keine unbedarften Amateure mehr. Als die beiden Mafiosi sie abholen wollten, waren Ken und Barbie auf den Besuch vorbereitet. Sie drehten den Spieß um. Einen tötete Ken mit bloßen Händen. Den anderen fingen sie und brachten ihn in den Wald. Barbie nahm sich viel Zeit für ihn. Sie machte ihren Job gründlicher denn je zuvor. Am Ende ließen sie den zweiten Söldner leben, wobei es in diesem Fall wahrscheinlich gütiger gewesen wäre, ihn umzubringen.
    Als der Mafia-Vater, der den Auftrag erteilt hatte, das erfuhr, war er schwer beeindruckt – und womöglich auch etwas verängstigt. Statt weitere Männer zu schicken, bot er beiden einen Friedensschluss – und einen Job an. Ken und Barbie nahmen an. Ihnen war klar, dass es sich bei ihrem neuen Boss um einen bösen Menschen handelte, der anderen bösen Menschen Schmerzen bereitete. Für sie war das ein Wink des Schicksals. Als das Camp zu Ende war, verließen sie ihre Familien und erzählten ihren Lieben, dass sie als reisende Missionare tätig sein würden, was in gewisser Weise der Wahrheit entsprach.
    Das Handy klingelte. Ken ging ran: »Schönen guten Tag, Mr Goldberg.«
    Als er das Telefonat beendete, kam Barbie zu ihm. »Haben wir eine neue Spur?«
    »Die haben wir.«
    »Erzähl.«
    »Ein Anwalt namens Harry Sutton. Er vertritt Huren.«
    Barbie nickte.
    Beide knieten sich neben Tawny. Tawny fing an zu weinen.
    »Jetzt hast du wohl verstanden«, sagte Ken zu ihr, »wie falsch dieses Leben für dich ist.«
    Tawny weinte weiter.
    »Wir werden dir eine Chance geben«, sagte Barbie mit seligmachendem Lächeln. Sie griff in ihre Handtasche und zog etwas heraus. »Das ist ein Busfahrschein aus der Stadt heraus.«
    »Wirst du ihn benutzen?«, fragte Ken.
    Tawny nickte beflissen.
    »Als du uns vor der Tür gesehen hast«, sagte Barbie, »hast du uns für Engel gehalten, die gekommen sind, um dich zu retten.«
    »Vielleicht«, ergänzte Ken, »hast du recht gehabt.«
    Eigentlich hatte Megan geplant, direkt nach Hause zu fahren.
    Das wäre vernünftig gewesen. Sie hatte ihren Teil getan – oder zumindest so viel, wie sie konnte –, und jetzt war es Zeit, wieder in ihren sicheren Kokon zu schlüpfen.
    Stattdessen fuhr sie ins La Crème .
    Jetzt saß sie ganz hinten in der dunklen Ecke an der Theke. Ihre alte Freundin Lorraine arbeitete dahinter. Als sie hereingekommen war, hatte Lorraine gefragt: »Muss ich jetzt überrascht aussehen?«
    »Nicht nötig.«
    »Was kann ich dir anbieten?«
    Megan deutete auf die Flasche hinter Lorraine. »Grey Goose on the Rocks mit vier Limettenschnitzen.«
    Lorraine runzelte die Stirn. »Wie wäre es statt Grey Goose mit irgendeinem verwässerten No-Name-Wodka aus der Grey-Goose-Flasche?«
    »Klingt sogar noch besser.«
    Obwohl Megan, wie die meisten Erwachsenen, über E-Mails und SMS jammerte, kamen sie ihr in dieser Situation sehr gelegen. Sie simste Dave, dass sie heute Nacht erst spät nach Hause kommen würde, weil sie nur zu gut wusste, dass er

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