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Wer einmal lügt

Wer einmal lügt

Titel: Wer einmal lügt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Megan sah sie in ihren Augen: Warum hast du ihn nicht wenigstens angerufen? Sie wandte den Blick ab, damit ihre Augen die Antwort nicht verrieten: Weil ich nicht wusste, ob er nicht vielleicht ein Mörder war.
    Doch das hatte sich jetzt natürlich alles verschoben. Womöglich war Stewart Green gar nicht tot. Und wenn Stewart Green nicht tot war …
    Lorraine sah sie mit einem seltsamen Blick an.
    »Was ist?«, fragte Megan.
    »Nichts.«
    »Und wo ist Ray jetzt?«, fragte Megan.
    »Soweit ich weiß, irgendwo hier in der Gegend.«
    »Soweit du weißt? Ach komm schon, Lorraine. Erzähl mir, was er macht. Arbeitet er noch als Fotograf?«
    Lorraine verzog das Gesicht. »Gewissermaßen.«
    »Was? Ach, Moment, er macht doch wohl keine Pornos, oder?«
    »Nein, Schatz, Porno ist viel hochwertiger als das, was Ray macht.«
    »Was soll das denn heißen? Was macht er?«
    »Also gut«, sagte Lorraine. »Ich will wirklich niemanden verurteilen. Wenn du dir dein hübsches Vorstadtleben versauen willst … Nur zu, hier.« Sie öffnete eine Schublade und nahm eine lange Metallschachtel heraus. Megan hätte beinah gelächelt, als ihr Lorraines magische Visitenkarten-Box wieder einfiel.
    »Die hast du immer noch?«, fragte Megan.
    »Natürlich. Ich habe sie inzwischen sogar nach Vorlieben sortiert. Mal sehen … Ah, da ist sie.« Sie zog eine Karte heraus, drehte sie und kritzelte etwas auf die Rückseite. Megan nahm die Karte. Das Logo sah fast aus wie auf dem Walk of Fame in Hollywood mit einer Kamera in der Mitte. Darauf stand:
    Celeb Experience: Paparazzi for Hire.
    O Mann.
    Sie drehte die Karte um. Lorraine hatte darauf geschrieben: Weak Signal Bar and Grill .
    »Ist das Rays Stammkneipe?«, fragte Megan.
    »Nein, aber Festers.«
    »Wessen?«
    »Der Kerl, für den Ray arbeitet. Fester. War früher Türsteher in diesem alten Club ein Stück die Straße runter. Erinnerst du dich nicht mehr an ihn?«
    »Sollte ich?«
    »Eigentlich nicht. Egal, ich kenne Fester seit Jahren. Hab ihn unter ›Mag Mollige‹ in meiner Datei abgelegt. Einer der Vorteile des Alters – ich bin jetzt für die verschiedensten Typen attraktiv. Ich bin alt genug für die, die auf Cougars und MILF s stehen. Biete einfach das komplette Programm.«
    Megan starrte auf die Karte.
    »Soll ich dir einen Tipp geben?«, fragte Lorraine.
    »›Fahr nach Hause, besorg dir neue Gardinen und häng sie auf‹?«
    »Ja, etwa darauf läuft es wohl hinaus.«

ZWÖLF
    B roome bog in die Einfahrt eines Split-Level-Hauses mit Aluminium-Verkleidung. Er parkte vor der Doppelgarage unter dem Schlafzimmerfenster und ging die Betontreppe hinauf. Ein umgefallenes Dreirad blockierte den Weg zur Tür. Diese – ach so gewöhnliche – Behausung war der Ort, an dem die einzige Frau lebte, die Broome je lieben würde: Detective Erin Anderson vom Atlantic City Police Department … Und die lebte hier mit ihrem Mann, einem Buchhalter namens Sean.
    Immer wenn Broome zu Besuch kam, konnte er sich nicht verkneifen zu denken: Das hätte ich sein können. Man hätte vielleicht erwartet, dass er daraufhin eine starke Sehnsucht entwickelt hätte, doch das war nicht der Fall. Seine unmittelbarste und stärkste Empfindung war Erleichterung – eine Art Dort-gewesen-doch-durch-Gottes-Gnade-gerade-noch-einmal-vorbeigeschrammt Rettung vor seinem eigenen Schicksal. Doch wenn er Erin dann ins Gesicht sah, trat das alles in den Hintergrund.
    Vor Jahren hatten sie sich als Partner im Polizeiwagen kennengelernt, sich bald darauf ineinander verliebt und geheiratet. Das war das Ende der Einsatzpartnerschaft gewesen – ein Ehepaar durfte nicht gemeinsam in einem Einsatzfahrzeug sitzen – und der Anfang ihrer Probleme. Die Ehe war – trotz der Liebe – ein Desaster gewesen. So war das manchmal. In manchen Beziehungen schuf eine Hochzeit neue, stabilere Bindungen. In anderen zerstörte sie die bestehenden.
    Er klopfte an die Tür. Erins vierjähriger Sohn Shamus öffnete mit einem Schnurrbart aus geschmolzenem Wassereis und rot gefärbten Zähnen. Der Junge sah genau wie sein Vater aus, und aus irgendeinem Grunde kotzte Broome das an. »Hey, Onkel Broome.«
    Selbst Kinder nannten ihn Broome.
    »Hey, Junge. Wo ist deine Mom?«
    »Ich bin in der Küche«, rief Erin.
    Als die Scheidungspapiere unterschrieben waren, hatten sie einen Antrag gestellt, wieder gemeinsam als Partner unterwegs sein zu dürfen. Die Bearbeitung hatte eine Weile gedauert, doch schließlich war es ihnen gestattet worden. Die ursprüngliche

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