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Wer einmal lügt

Wer einmal lügt

Titel: Wer einmal lügt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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noch einen einzuschenken. »Ich bin glücklich«, sagte sie dann. »Ich hab nur manchmal Hummeln im Hintern.«
    »Das ist doch ganz normal. Na ja, wer hat das nicht? Du hast gute Kinder, stimmt’s?«
    »Besser geht’s nicht«, sagte Megan, der es trotz allem plötzlich leicht ums Herz wurde. »Ich liebe sie so sehr, dass es schon wehtut, an sie zu denken.«
    »Siehst du? Das ist doch toll. Für mich wäre das aber nichts.«
    Megan sah ihren Drink an und ließ dann einen wärmenden Schluck davon die Kehle hinunterlaufen. »Weißt du, was am Mutterdasein echt nervt?«
    »Dreckige Windeln?«
    »Schon, aber das ist vorbei. Ich meine jetzt, wo sie älter sind und man sie im Großen und Ganzen als Menschen bezeichnen kann.«
    »Was?«
    »Man lebt einzig und allein für ihr Lächeln.«
    Lorraine wartete, dass sie weitersprach. Als sie das nicht tat, sagte sie: »Kannst du mir das erklären?«
    »Wenn bei ihnen etwas gut läuft – sagen wir, Kaylie schießt beim Fußball ein Tor –, na ja, wenn dein Kind lächelt, geht die Sonne in dir auf. Du bist so verdammt glücklich. Dann wiederum, wenn sie es nicht tun …«
    »Dann bist du unglücklich«, sagte Lorraine.
    »Ein bisschen komplizierter ist es schon, aber im Prinzip ja. Ich kann das nicht ausstehen, dass mein Glück so absolut von ihrem Lächeln abhängt. Dabei gehöre ich nicht zu den Eltern, die vorwiegend aus zweiter Hand durch die Erfolge ihrer Kinder leben. Ich will einfach nur, dass sie glücklich sind. Früher war ich eine erfüllte und erwachsene Frau mit einer eigenen Gefühlswelt. Jetzt, als Mutter, scheint mein Glück ausschließlich von ihrem Lächeln abzuhängen. Und die beiden wissen das auch noch.«
    »Interessant«, sagte Lorraine. »Weißt du, wonach das klingt?«
    »Wonach?«
    »Nach einer Beziehung, in der einer den anderen emotional ausnutzt. Wie früher mit meinem Ex. Man fängt an, dafür zu leben, dass man ihnen gefällt. Und dann manipulieren sie dich mit ihren Launen.«
    »Das ist etwas übertrieben.«
    »Ja, das stimmt vielleicht«, sagte Lorraine, die offensichtlich anderer Ansicht war, aber keinen Streit anfangen wollte. »Aber du hast mir immer noch nicht erzählt, warum du wieder hier warst. Ich meine, bevor ich dich besucht habe.«
    Die banale Antwort: Megan hatte es vermisst. Sie war drauf und dran, es Lorraine zu erzählen, aber die starrte nach rechts zur Seite. Megan folgte ihrem Blick. Als sie erkannte, wohin Lorraine blickte, runzelte sie die Stirn.
    »Rays Tisch«, sagte Megan.
    »Yep.«
    Der Tisch war leer, aber es war sein Tisch gewesen – die Ecke, in der Ray immer gesessen hatte. Ihn hatte sie verdrängt. Mannomann, und wie sie ihn verdrängt hatte! Jetzt erlaubte sie sich – nur für einen kurzen Augenblick –, an ihn zu denken. Im Lauf der Jahre hatte sie ihre Beziehung in Gedanken zu einer Art Affäre gemacht, einer intensiven, heftigen Sommer-Romanze, die den Belastungen des Alltagslebens niemals standgehalten hätte. Aber jetzt, für einen kurzen Moment, erinnerte sie sich an den eindringlichen Blick, mit dem Ray sie so oft angesehen hatte, dachte an seine elektrisierenden Küsse und die frühen Morgenstunden, in denen sie ihn völlig außer Atem so leidenschaftlich umklammert hatte, als hinge ihr Leben davon ab.
    Lorraine lächelte.
    »Sehr dezent«, sagte Megan.
    »Ja.«
    »Weißt du, was er macht und wie es ihm geht?«
    Das Lächeln verschwand. »Willst du das wirklich wissen?«
    »Du hast davon angefangen.«
    »Nein, Schätzchen, das warst du. Ich will dir nur helfen, das alles zu beenden.«
    Da war was dran. »Dann hilf mir. Geht’s ihm gut?«
    Lorraine fing wieder an, ein Glas zu polieren.
    »Lorraine?«
    »Eine Zeitlang – also damals, nachdem du abgehauen bist –ist er jeden Abend hier gewesen. Er hat sich an den Tisch gesetzt und getrunken. Tagsüber war er bei dir in der Wohnung. Das ging dann … ich weiß nicht … ein paar Monate lang. Vielleicht war es auch ein Jahr. Er hat einfach auf deine Rückkehr gewartet.«
    Megan sagte nichts.
    »Mit der Zeit wurde es immer schlimmer. Irgendwann ist er nicht mehr hergekommen. Hat Atlantic City verlassen. Ich glaube, er ist nach Kalifornien gezogen. Da hat er wohl noch mehr getrunken. Dann war er wieder da.« Sie zuckte die Achseln.
    Megan ließ die Informationen sacken. Sie war ihm einiges schuldig geblieben. Sie war jung und wahrscheinlich dumm gewesen, andererseits, welche Wahl hätte sie gehabt? Lorraine sah sie an. Sie würde die Frage nicht stellen, doch

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