Wer einmal lügt
begangen hat.«
»Jetzt lass uns aber keine übereilten Schlüsse ziehen, Broome.«
»Detective?«
Beim Klang der Stimme zuckte Broome zusammen. Als er sich umdrehte, sah er Del Flynn in seinem grellen Hawaiihemd. Der Mann hatte mindestens zehn Goldketten um den Hals. Broome erkannte eine goldene Heiliger-Antonius-Medaille, einen goldenen Anker und die goldene, schmutzfängerartige Silhouette einer gut gebauten Frau. Eine sehr uneinheitliche Mischung.
»Mr Flynn?«
Goldberg stand gut einen Meter hinter ihm. Del Flynn besaß, worauf Broome schon des Öfteren hingewiesen worden war, einen oder gar mehrere ziemlich große Haufen Kohle. Der Bürgermeister und diverse andere hohe Tiere hatten ihn angerufen, als ob das Atlantic City Police Department eine VIP -Hotline für Vermisste hätte. Andererseits – vielleicht gab es die tatsächlich? Broome konnte es dem Mann nicht verübeln. Wenn ein Kind verschwand, nutzte man sämtliche zur Verfügung stehenden Möglichkeiten. In einer solchen Situation übte man keine Zurückhaltung. Dafür hatte Broome vollstes Verständnis.
Broome stellte Flynn Erin vor. Die nickte kurz und konzentrierte sich wieder auf ihre Arbeit. Erin hatte nie gut mit Angehörigen der Opfer umgehen können. »Das sind gebrochene Menschen«, hatte Erin ihm einmal gesagt. Als Broome Flynn jetzt in die Augen sah, dachte er »zerschmettert« würde besser passen. »Gebrochen« klang so glatt, klinisch und reparabel. Mit diesen Personen geschah jedoch etwas Abstraktes und Unordentliches, bei dem viele Splitter zurückblieben, die man nie wieder richtig zusammensetzen konnte.
»Gibt es irgendetwas Neues?«, fragte Del Flynn.
»Es ist noch zu früh, das zu beurteilen, Mr Flynn.«
»Überhaupt nichts?«
Die Verzweiflung in seiner Stimme war mehr als nur hörbar. Sie lebte und atmete wie ein schreckliches Monster, nahm den ganzen Raum ein und drohte, alles andere zu ersticken. Broome sah Goldberg an, damit der etwas dazu sagte. Goldberg sah direkt durch ihn hindurch.
Flynn streckte die Hand aus, packte Broomes Arm und griff etwas zu fest zu. »Haben Sie Kinder, Detective?«
Diese Frage war Broome in seiner Zeit bei der Polizei mehr als ein Mal gestellt worden. Er fand immer, dass sie an Überheblichkeit grenzte – eigentlich war das doch egal –, aber als er die Verwüstung in Del Flynns Gesicht sah, verstand er, was gemeint war. »Nein, Sir, habe ich nicht. Detective Anderson hier hat jedoch Kinder.«
Yep, Broome hatte seine liebreizende Ex vor den Bus gestoßen. Flynn sah Erin an. Erin starrte weiter auf den Monitor. Nach ein paar unbehaglichen Sekunden ging Broome dazwischen.
»Mr Flynn«, sagte er, »ich kann Ihnen versichern, dass wir alles dafür tun, Ihren Sohn zu finden. Wenn wir unsere Arbeit allerdings unterbrechen müssen, um Ihnen Rechenschaft über unseren Fortschritt abzulegen, bremst uns das. Das verstehen Sie doch, oder? Ich kann die Zeit damit verbringen, Hinweisen nachzugehen und Ihren Sohn zu suchen, oder ich kann sie damit verbringen, Sie über alle Details zu informieren. Verstehen Sie, was ich meine?«
»Ich will nur helfen.«
»Dann lassen Sie uns weiterarbeiten, okay?«
Flynns Augen loderten einen Moment lang – ein kurzer, innerlicher Zornesausbruch, bevor die Verwüstung wieder die Oberhand gewann. Goldberg kam ihm zu Hilfe. »Ich glaube, Detective, Mr Flynn wollte Sie bitten …«
Del Flynn unterbrach Goldberg, indem er ihm die Hand auf den Arm legte. »Später«, sagte Flynn. Er ging den Flur entlang. Goldberg warf Broome noch einen finsteren Blick zu, dann drehte er sich um und folgte Flynn.
»Ich hab schon befürchtet, dass Goldberg dem Kerl gleich einen bläst«, sagte Erin. »Flynn muss richtig fett Knete haben.«
»Interessiert mich nicht«, sagte Broome. »Kannst du mir die Nummer vom Rahway-Gefängnis raussuchen?«
Sie tippte etwas in den Computer. Es war zwar schon spät, aber Bundesstrafanstalten hatten schließlich keine Geschäftszeiten. Broome rief die Nummer an, die sie ihm genannt hatte, und sagte dem Telefonisten, dass er wegen des Insassen Ricky Mannion anriefe. Er wurde gebeten, einen Moment zu warten.
»Dean Vanech, Vollzugsbeamter.«
»Mein Name ist Broome. Ich arbeite bei der Mordkommission im Atlantic City Police Department.«
»Okay?«
»Ich rufe wegen eines Ihrer Häftlinge an. Sein Name ist Ricky Mannion.«
»Was ist mit ihm?«
»Kennen Sie ihn?«
»Ja.«
»Behauptet er immer noch, dass er unschuldig ist?«
»Jeden Tag. Aber soll
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