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Wer einmal lügt

Wer einmal lügt

Titel: Wer einmal lügt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Es geht niemand ran.«
    »Ich würde einen Streifenwagen bei ihm vorbeischicken, aber was soll das bringen? Er ist doch jeden Abend unterwegs. Haben Sie irgendjemandem gesagt, dass Sie zu ihm gehen?«
    »Nein.«
    »Dann kann ich Ihnen nicht folgen. Wie kommen Sie darauf, dass er in Gefahr sein könnte?«
    »Ich weiß nicht. Die Stimme dieser Frau. Die klang so widerlich zuckersüß.«
    »Oh«, sagte Broome. »Also warum haben Sie das nicht gleich gesagt?«
    Megan runzelte die Stirn. »Sie könnten nicht vielleicht noch etwas herablassender sein?«
    »Widerlich zuckersüß?«
    »Okay, ich hab ja verstanden.«
    »Nein, Cassie, oder wie immer Sie heißen, nein, ich glaube nicht, dass Sie mich verstanden haben.« Broome trat einen Schritt an sie heran. »Darf ich ganz offen sein?«
    »Weil Sie ja bisher die ganze Zeit um den heißen Brei herumgeredet haben? Natürlich.«
    »Sie sehen gut aus. Wirklich gut.«
    »Äh, danke.«
    »Das meine ich nicht. Ich meine, dass Sie aussehen, als hätten die Jahre es gut mit Ihnen gemeint. Sie sehen gesund und glücklich aus, und vor allem sehen Sie aus, als hätten Sie ein Zuhause. Wissen Sie, was ich damit sagen will?«
    Sie antwortete nicht.
    »Das ist die Definition eines glücklichen Menschen, verstehen Sie? Die meisten Mädchen hier finden nie auch nur ansatzweise so etwas wie ein Zuhause.«
    »Detective Broome?«, sagte sie.
    »Ja.«
    »Das ist ja so tiefsinnig.«
    Broome lächelte. »Ja, der philosophierende Polizist. Tun Sie das, was für Sie am besten ist. Fahren Sie an diesen Ort.«
    »An den Ort, äh, an den ich gehöre?«
    »Ja. Nach Hause oder wohin auch immer. Fahren Sie dahin, wo Menschen auf Sie warten.«
    »Sie haben mir nicht zugehört, Detective.«
    »Doch, das habe ich. Jetzt hören Sie mir zu. Was tun Sie noch hier?«
    Sie schwieg einen Moment lang. Er wartete und beobachtete sie. Trotz des zur Schau getragenen Sarkasmus musste sie Broome in einigen Punkten recht geben.
    Was tat sie noch hier?
    Sie dachte an ihr Zuhause, den Ort, an den sie gehörte – an Kaylie und Jordan, an den armen Dave, der wahrscheinlich nervös auf und ab ging, sich dabei ein ums andere Mal mit der Hand durchs Haar fuhr, wie er es immer machte, wenn er beunruhigt war, und sich fragte, was mit der Frau passiert war, neben der er die letzten sechzehn Jahre geschlafen hatte.
    Mit schwacher Stimme sagte Megan: »Ich dachte, Sie wollten mich in der Nähe haben, für den Fall, dass sich neue Entwicklungen ergeben.«
    »Fürs Erste habe ich alles, was ich brauche. Wenn ich mehr wissen will, rufe ich Harry an. Ich habe Ihnen versprochen, Ihre wahre Identität geheim zu halten. Ich beabsichtige, dieses Versprechen zu halten.«
    »Danke«, sagte sie.
    »Keine Ursache. Jetzt verschwinden Sie, bevor der Boss kommt und anfängt, Fragen zu stellen.«
    Sie fand es nicht richtig und wollte widersprechen; aber es würde wirklich nichts bringen, wenn sie noch hierblieb. Ohne ein weiteres Wort verließ Megan das Revier. Ihr Wagen stand um die Ecke. Sie setzte sich hinters Lenkrad und überlegte, was sie tun sollte. Die Antwort lag auf der Hand.
    Broome hatte recht. Doch aus irgendeinem Grund sammelten sich Tränen in ihren Augen, als sie im Wagen saß. Was zum Teufel war mit ihr los? Sie ließ den Motor an und wollte direkt nach Hause fahren. Vergiss das alles. Vergiss das La Crème , Lorraine, Rudy, Stewart Green und Harry Sutton. Sie waren alle bloß ein Teil ihrer Vergangenheit, von der sie einen kleinen Ausschnitt im Rückspiegel gesehen hatte, mehr nicht.
    Aber was war mit Ray?
    Sie sah auf die Uhr im Armaturenbrett. Warum hatte sie ausgerechnet Lucy als Treffpunkt vorgeschlagen? Ihr Schlüsselbund hing am Zündschloss. In all den Jahren, die sie Dave kannte, hatte er nie gefragt, wozu der leicht angerostete Bronzeschlüssel gehörte. Sie hatte ihn immer bei sich getragen. Sie bezweifelte, dass er noch passte – schließlich war das fast zwanzig Jahre her –, aber der Schlüssel war das einzige Erinnerungsstück an ihr altes Leben, das sie behalten hatte.
    Ein Schlüssel.
    Sie nahm ihn in die Hand und dachte dabei an das letzte Mal, als sie ihn benutzt hatte. Sie wollte Ray sehen. Und sie wollte ihn nicht sehen.
    Mit dem Feuer zu spielen war eine Sache – sich direkt in die Flammen zu stürzen etwas ganz anderes.
    Jetzt fahr nach Hause, Cassie oder Megan oder wer immer ich auch sein mag. Wir freuen uns über diesen Sondereinsatz zur Aufklärung einer alten Vermisstenmeldung, aber jetzt ist es Zeit,

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