Wer einmal lügt
Pierce?«
»Nein. Haben die etwas mit meinem Sohn zu tun?«
Ken und Barbie berichteten Del, was sich in den letzten Stunden ereignet hatte. Dabei erzählten sie allerdings nicht im Detail, wie sie an diese Informationen herangekommen waren, und Del fragte nicht nach. Er hörte nur zu, spürte, wie sein Herz gleichzeitig zerbrach und dabei immer härter wurde.
Vor allem, wie es härter wurde.
»Gehen Sie davon aus, dass es auf diese Geschehnisse noch eine Reaktion gibt?«, fragte Del.
Ken sah erst Barbie, dann Del an. »Aus Richtung Tawny nicht. Auf die Harry-Sutton-Sache wohl schon. Aber man wird es nicht zu uns zurückverfolgen können.«
»Und auch zu Ihnen nicht«, ergänzte Barbie.
Wieder fragte Del nicht nach Einzelheiten. »Und was jetzt?«
»Normalerweise gehen wir solchen Hinweisen nach«, sagte Barbie mit einer Stimme, die fast wie einstudiert klang, als spielte sie plötzlich die Rolle einer viel älteren Frau. »Was in diesem Fall bedeuten würde, dass wir Mr und Mrs Pierce befragen müssten.«
Del sagte nichts.
»Und«, sagte Ken, »es würde bedeuten, dass wir Atlantic City verlassen und nach Kasselton fahren müssten, das Einsatzgebiet also deutlich ausweiten.«
»Was natürlich auch weitere Kollateralschäden nach sich ziehen würde«, ergänzte Barbie.
Del sah weiter aus dem Fenster. »Dann sind Sie gekommen, um meine Zustimmung einzuholen.«
»Ja.«
»Glauben Sie, dass die Pierces etwas wissen?«
»Die Frau vermutlich schon, ja«, sagte Ken. »Wir haben erfahren, dass sie sich heute mit Detective Broome getroffen hat. Sie war in Begleitung eines Anwalts – bei diesem Anwalt handelte es sich um Harry Sutton.«
»Das bedeutet, dass sie etwas zu verbergen hat«, ergänzte Barbie.
Del dachte darüber und über seinen Besuch im Revier nach. »Ganz egal, was diese Megan Pierce ihm erzählt hat – Broome hat darauf reagiert. Er ist am Abend mit den Leuten von der Spurensicherung in irgendein Naturschutzgebiet gefahren. Sie haben Blutspuren gefunden.«
Schweigen.
»Haben die Pierces Kinder?«, fragte Del.
»Zwei.«
»Versuchen Sie, die aus der Sache rauszuhalten.«
Das war, wie Del aus persönlicher Erfahrung wusste, das Barmherzigste, was er tun konnte.
Megan brauchte zwei Stunden für die Heimfahrt.
Dave hatte erst vor kurzem Satellitenrundfunk fürs Auto angeschafft, also versuchte sie eine Weile, Howard Sterns Talkradio-Sendung anzuhören. Einmal, als sie mit Dave im Wagen unterwegs war und sie sich gemeinsam die Sendung anhörten, hatte Howard mit einer Stripperin namens Triple Es gesprochen. Megan hätte fast der Schlag getroffen, weil sie die Stimme sofort als die von Susan Schwartz erkannte, einem Mädchen, das damals im La Crème gearbeitet hatte. Sie hatte sogar eine Zeitlang mit ihr zusammengewohnt.
Seltsamerweise fand Megan Howard Stern am uninteressantesten, wenn das Thema der Sendung sehr provokativ war. Obwohl sie alles andere als prüde war, kamen Megan die plastisch dargebotenen Passagen – der schmutzige Sex, die Körperfunktionen, die Freaks – ziemlich zahm vor. Wenn Howard jedoch Prominente interviewte oder mit Robin die Nachrichten kommentierte, ließ sie sich oft in die Sendung hineinziehen. Megan war immer wieder überrascht, wie oft ihre Meinung mit Howard Sterns übereinstimmte und was für vernünftige Ansichten er vertrat – auf langen, einsamen Autofahrten konnte Howard ein wunderbarer Begleiter sein, der ausgezeichnete Unterhaltung bot –, aber heute Nacht schaltete sie nach ein paar nutzlosen Minuten das Radio aus und gab sich ganz ihren Gedanken hin.
Was jetzt?
Es war schon fast eins, als sie in die Einfahrt fuhr. Das Haus war vollkommen dunkel, abgesehen von der mit einer Zeitschaltuhr gesteuerten Lampe im Wohnzimmer. Sie hatte Dave nicht angerufen und ihre Rückkehr angekündigt. Warum, wusste sie selbst nicht genau – außer dass sie keine Ahnung hatte, wie sie auf seine unvermeidlichen Fragen hätte antworten sollen. Sie hatte gehofft, dass ihr auf der zweistündigen Fahrt etwas einfallen würde. Das war jedoch nicht der Fall. Sie hatte alles Mögliche in Erwägung gezogen, von totaler Erfindung (»Eine Freundin – ich kann dir nicht sagen, wer sie ist – hat ein sehr privates Problem gehabt«) bis zur absoluten Wahrheit (»Am besten setzt du dich erst einmal hin«) und irgendeinem Mittelweg (»Ich war in Atlantic City, es war aber nicht weiter wichtig«).
Als Megan in der Einfahrt parkte, den Schlüssel in die Handtasche fallen ließ,
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