Wer fuerchtet sich vor Stephen King
vielleicht einmal solch eine Entscheidung treffen. Hier stellt King die Frage nach der persönlichen Verantwortung und Moral; das Böse in uns wuchert tumorähnlich wie Smiths „toter Bereich“ und verleitet uns zum Wegsehen oder Nichtstun, was auch schon eine moralische Verfehlung sein kann.
King handelt diesen Stoff nicht trocken ab, sondern erzählt eine spannende und ergreifende Geschichte, die durch den geschickt angelegten Schluss bei genauem Überlegen auch für jeden einzelnen Leser eine persönliche Bedeutung bekommt.
Auch im nächsten Buch geht es wieder um eine Psi-Fähigkeit: nach CARRIE (Telekinese) und DEAD ZONE (Präkognition) diesmal um die Pyrokinese (und auch um die Hypnosuggestion). Charlie McGees Eltern haben sich vor Jahren für ein Experiment des Geheimdienstes DSI (Department of Scientific Intelligence, besser bekannt als „Shop“: ein CIA-Verschnitt) der Behandlung mit einer halluzinogenen Droge unterzogen. Das Experiment hat latente Fähigkeiten der beiden manifest werden lassen, bei der Mutter Telekinese und beim Vater Hypnosuggestion: Er kann Fremden einreden, unbedingt etwas (in seinem Sinne) tun zu wollen, und nennt diese Fähigkeit „Pushing“; doch sie schwächt und zerstört seinen Körper umso mehr, je öfter er sie anwendet. Und ihre gemeinsame Tochter, das FEUERKIND, kann aus reiner Willenskraft Gegenstände in Brand setzen.
Als das Feuerkind sieben Jahre alt ist, will der Shop es sich für weitere Experimente holen. Die Agenten erschießen Charlies Mutter, doch das Mädchen und sein Vater können fliehen und werden nun gnadenlos von John Rainbird, dem Top-Agenten des Shops, gejagt. Als sie schließlich gefasst werden, kommt es zu einem geschickt angelegten Psychospiel, bei dem es Rainbird gelingt, Charlie zu einigen Vorführungen ihrer Fähigkeit zu bewegen. Schließlich erkennt sie jedoch, wer ihr Häscher wirklich ist, und der Showdown nähert sich rapide: Nachdem ihr Vater erschossen wurde, lässt Charlie pyrokinetisch das Forschungsinstitut in Flammen aufgehen und kann fliehen. Das Buch ist ihre Geschichte, die sie Reportern des Magazins Rolling Stone erzählt: Nachdem die Öffentlichkeit Bescheid weiß, ist sie vor den Nachstellungen des Shops wohl sicher.
Auch FEUERKIND ist ein politisches Buch, in dem King erneut mit den politischen Auswüchsen der siebziger Jahre abrechnet. Watergate hat auch bei ihm Spuren hinterlassen, doch sein Vertrauen in die freie Presse lässt ihn nicht vor der Allmacht der Geheimdienste resignieren.
Natürlich beschäftigt sich FEUERKIND unter der Oberfläche auch mit Ängsten: der Angst, ein behindertes Kind zu bekommen, der Angst um sein Kind, der Angst, alles zu verlieren, und schließlich auch der Angst des Kindes um seinen Vater oder seine Eltern, der Angst vor dem Missbrauch des Kindes (die Beziehung zwischen Charlie und Rainbird hat deutliche sexuelle Untertöne) und ganz allgemein vor den Institutionen einer Gesellschaft, für die ein Einzelner nichts mehr zählt und die über Leichen gehen, um ihre Ziele zu verwirklichen.
King griff übrigens noch einmal auf den Shop zurück: In der Fernsehserie GOLDEN YEARS, für die er über ein Jahrzehnt später die Story schrieb, ist der Shop dem Geheimnis der ewigen Jugend auf der Spur. Zwar steht sie inhaltlich hinter FEUERKIND zurück und folgt in weiten Zügen – der Jagd auf die unfreiwillig veränderten Opfer – diesem Roman, doch das üble Spiel der Geheimdienste scheint für King mit FEUERKIND nicht beendet zu sein; die Mechanismen der inhumanen Gesellschaft haben sich in die neunziger Jahre und auch in das neue Jahrtausend hinübergerettet.
Und es ist noch gar nicht lange her … mit dieser märchenhaften Einleitung führt King in seinem nächsten Roman, CUJO, den Leser an den Schauplatz der Handlung: die kleine Stadt Castle Rock in Maine. Aber was so friedlich beginnt, entwickelt sich zu einem der konsequentesten und erschreckendsten Werke der Schriftstellers.
Der Plot ist im Grunde simpel: Der gutmütige, zwei Zentner schwere Bernhardiner Cujo infiziert sich mit Tollwut und fällt mehrere Menschen an. Das erinnert auf den ersten Blick eher an die Schlagzeile einer Boulevardzeitung – die King gegen Ende auch in den Roman einbringt –, doch der Amoklauf des kranken Tieres erweist sich als nur ein Aspekt des breiten Spektrums, das den Text insgesamt ausmacht. Cujo ist keineswegs die Hauptfigur, sondern nur ein Symbol für die trügerische Wandelbarkeit der vertrauten
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