Wer fuerchtet sich vor Stephen King
deutlich zeigt auch diese Sammlung (gerade wegen der Aufnahme früher und sehr früher Geschichten) die gesamte schriftstellerische Bandbreite des Autors. Die Storys entstammen den unterschiedlichsten Quellen: Horroranthologien bzw. -magazinen wie DARK FORCES, Twilight Zone , SHADOWS, Weird Tales , TERRORS, NEW TERRORS, Weirdbook , Schülerzeitungen wie Ubris , Herrenmagazinen wie Gallery (aus der Frühzeit) oder Playboy (nachdem sich King etabliert hatte), Magazinen wie Redbook und Yankee und Genremagazinen wie The Magazine of Fantasy and Science Fiction , Ellery Queen’s Mystery Magazine und Startling Mystery Stories . Sie umfassen die psychologische Horrorstory wie die simple Pointengeschichte, die Krimi- wie die SF-Erzählung, wobei die meisten Texte jedoch früher oder später starke Untertöne des Grauens aufweisen – eines Entsetzens, dessen äußere Manifestation zumeist den inneren Zwiespalt oder Zustand des jeweiligen Protagonisten spiegelt. Hier liegt der große Vorzug des Autors: Nur selten ist der Schrecken, den er beschwört, losgelöst von der Psyche der agierenden Personen (und damit der der Leser). Diese eingängige Identifikation des Lesers mit Kings Charakteren auch in der Kurzprosa dürfte nicht unwesentlich zum großen Erfolg des Autors beigetragen haben.
In ALPTRÄUME (NIGHTMARES AND DREAMSCAPES) fasste King 1993 sämtliche bis dahin erschienene Geschichten, die er noch veröffentlicht sehen will, sowie einige völlig neue Storys zu seiner dritten Kurzgeschichten-Sammlung zusammen. Im Vorwort verteidigt King sich gegen den (ja durchaus einsichtigen) Vorwurf, nur des Geldes wegen zu schreiben, und betont, dass es seine Aufgabe ist, die Leser seine Geschichten glauben zu machen. Wenn er hier über Ängste schreibt, dann allerdings geflissentlich über die äußeren, die er plausibel und spannend darstellen muss, damit die Leser ihm auch weiterhin die Treue halten.
„Dolans Cadillac“ (1985) ist die nicht phantastische Geschichte einer Rache: Gangsterboss Dolan lässt die Zeugin eines Mordes beseitigen und wird Jahre später vom Mann der Ermordeten auf ausgeklügelte Weise umgebracht. „Das Ende des ganzen Schlamassels“ (1986) erzählt von der Kleinstadt La Plata, in der die Verbrechensrate sehr niedrig ist. Das liegt am Wasser – aber die Substanz, die die Friedfertigkeit bewirkt, führt auch vorzeitige Senilität herbei, was durch den Erzähler der Briefgeschichte – den Bruder des Genies, das die Menschheit mit seinem „Pazifin“ friedlich machen wollte – verdeutlicht wird. Er verfällt beim Schreiben zusehends. Daniel Keyes’ BLUMEN FÜR ALGERNON lässt grüßen.
In „Kinderschreck“ (1972) verwandeln die Schutzbefohlenen einer Lehrerin sich in unheimliche Monster. Eine der frühesten Exkursionen Kings in jene Region, in der sich der Wahnsinn mit übersinnlichen Erscheinungen vermischt: Man wird im Unklaren gelassen, ob die Kinder wirklich Ungeheuer sind oder die Lehrerin, die eines erschießt, verrückt ist. „Der Nachtflieger“ (1988) hingegen stellt eine erneute Beschäftigung mit dem Sujet Vampirismus dar – kein neues Thema, aber der Zeit angepasst („Ein Vampir mit einem Pilotenschein, wie amüsant modern …“). Reporter Richard Dees (aus DEAD ZONE) muss erfahren, dass es doch Vampire gibt. „Popsy“ (1987) ist ganz ähnlich gelagert und erzählt von einem Kindesentführer, dessen Opfer einen Großvater hat, der sich zum Leidwesen des Bösewichts, der alle Warnungen abtut, als Vampir entpuppt.
„Es wächst einem über den Kopf“ (1973) beschreibt ein Spukhaus, dem stets neue Anbauten hinzugefügt werden, ja fast schon wachsen, wenn einer seiner Bewohner stirbt. King hat diese frühe Geschichte überarbeitet und zum Epilog seiner Castle-Rock-Werke umgeschrieben. „Klapperzähne“ (1992) löst beim Leser ein noch stärkeres Unbehagen aus. Die Story um ein Spielzeuggebiss und einen Vertreter, der dummerweise einen Anhalter mitnimmt, wäre eigentlich unbedeutend, gelänge es King in den ersten beiden Dritteln nicht, ein Gefühl der absoluten Beklemmung aufgrund des undurchsichtigen Anhalters zu beschwören. Dieses grundlegende Unbehagen legt sich bezeichnenderweise, als King mit den Zähnen ein übersinnliches Element in die Geschichte einführt.
In „Zueignung“ (1988), einer recht unappetitlichen Story, wendet sich ein Zimmermädchen, das von ihrem brutalen Mann zugrunde gerichtet wird, an eine Hexe um Hilfe, die ihr den Unterschied zwischen dem
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