Wer fuerchtet sich vor Stephen King
„Der Nebel“, eine lange Novelle, die King im Sommer 1976 schrieb. In dieser mitreißenden Geschichte legt sich ein geheimnisvoller Nebel auf einen Supermarkt, in dem sich David Drayton und sein Sohn Billy befinden. King setzt hier den äußeren und den inneren Schrecken parallel: Während der Nebel tödliche Ungeheuer in sich birgt, entdecken die in dem Supermarkt gefangenen Menschen die Ungeheuer in sich selbst: Alkoholsucht, religiösen Fanatismus, Hoffnungslosigkeit. Erst nachdem Drayton diese Dämonen gebannt hat, kann er versuchen, mit seinem Sohn und einer Handvoll anderer Menschen den Mikrokosmos Supermarkt zu verlassen und sich der Welt zu stellen. „Der Nebel“ erhellt die Quintessenz von Kings Umgang mit der Angst: Der äußere Schrecken hat innere Wurzeln, stellt lediglich eine Veräußerlichung des Innenlebens seiner Charaktere dar. Das Ende bleibt offen, Drayton bleibt nur die Aussicht auf Hoffnung.
„Achtung – Tiger!“ ist eine kurze Pointengeschichte um einen Schüler, der dringend auf die Toilette muss, die allerdings von einem Tiger bewacht wird. Psychologische Katharsis: King arbeitet hier einen Vorfall aus seiner Schulzeit auf. „Der Affe“ ist ein unheimliches Spielzeug: Immer, wenn er sein Instrument spielt, stirbt jemand. „Kains Aufbegehren“, eine frühe Geschichte, beschreibt einen College-Studenten, der nach der letzten Prüfung des Studienjahrs ein Gewehr auspackt und wahllos Menschen erschießt; „Mrs. Todds Abkürzung“ führt gar in eine andere Welt und karikiert die Besessenheit mancher Menschen in kleinen Dingen; „Travel“ ist eine SF-Geschichte mit Horror-Elementen um die Teleportation; „Der Hochzeitsempfang“, eine Mainstream-Geschichte, spielt im Milieu des organisierten Verbrechens und zeigt auf, wie zufällig manche Karrieren zustande kommen können. In „Das Floß“ beschwört King einen archetypischen Schrecken aus den Tiefen eines Sees herauf, der vier junge Menschen verschlingt; „Der Textcomputer der Götter“ nimmt direkten Einfluss auf die Wirklichkeit, was Richard Hagstrom ausnutzt, um sich seiner Frau und seines Sohnes zu entledigen und eine liebevollere Familie ins Haus zu holen.
„Der Mann, der niemandem die Hand geben wollte“, fällt einem alten Indianerfluch zum Opfer; „Der Dünenplanet“ erinnert zwar an Frank Herberts Arrakis, lebt aber und verschlingt seine Opfer – eine SF-Story, die wiederum schnell grauenhafte Züge annimmt. „Der Sensenmann“ lauert in einem Spiegel, der wie „Mrs. Todds Abkürzung“ in eine andere Welt führt; die schöne „Nona“, die jeden umbringt, der ihr über den Weg läuft, schlägt einen jungen Mann in ihren Bann und reißt ihn ins Verderben, bevor sie sich auf einem Friedhof als Ratte entpuppt – eine eindringliche Geschichte, in der sich die Psychologie des Protagonisten schließlich auf dem Schauplatz des Showdowns manifestiert. „Überlebenstyp“, eine sehr zynische, kontroverse Geschichte, zeigt auf, welche Ernährungsmöglichkeiten einem auf einer einsamen Insel ohne nennenswerte Flora und Fauna offenstehen; in „Onkel Ottos Lastwagen“ manifestieren sich die Zwangsvorstellungen eines Mörders, der dann der wohlverdienten Rache aus dem Jenseits (oder den Tiefen seines Verstands) zum Opfer fällt.
„Morgenlieferungen“ und „Der Milchmann schlägt wieder zu“ sind Fragmente eines unveröffentlichten Romans um einen (verrückten?) Milchmann, der mordend durch die Stadt zieht; „Omi“ ist eine schlichtweg entsetzliche Geschichte um eine Großmutter, die zum Schrecken ihres jungen Enkels einfach nicht sterben will – erneut die psychologische Aufarbeitung eines Traumas. „Der Fornit“ ist ein hilfreicher Kobold, der in einer Schreibmaschine lebt und einen Schriftsteller und seinen Lektor ins Verderben – oder den Wahnsinn? – zieht; „Der Gesang der Toten“, vordergründig eine Geistergeschichte, bildet den Abschluss des Buches. King hat sie bewusst ans Ende gesetzt, stellt sie doch den inhaltlichen Kontrapunkt zu „Der Nebel“ dar. Brach in dieser Novelle der Protagonist auf, um sich dem Leben und seinen Problemen zu stellen, so findet hier die Lebensreise der fünfundneunzigjährigen Stella Flanders ihr friedliches Ende.
Zwei Gedichte sind ebenfalls enthalten. „Paranoid: Ein Gesang“ beschreibt eine absolute Paranoia, und „Für Owen“ soll Kings Sohn über die Unbill der Schule hinwegtrösten.
So verschieden die hier gesammelten Erzählungen auch sind, so
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