Wer fuerchtet sich vor Stephen King
Wochen vor der amerikanischen, und sie hatten sie sich natürlich schon längst bei findigen Händlern besorgt, die den Titel teilweise hatten einfliegen lassen.
King hatte sein Haus mittlerweile umzäunen lassen, um sich vor den immer zahlreicher dort erscheinenden Fans zu schützen, und sich ein Büro in Bangor zugelegt, in dem er nachmittags geschäftliche Dinge erledigte oder Interviews gab, während der Morgen wie bisher für das Schreiben reserviert war. Ruhm hat positive und negative Seiten: Um nicht vollständig auf sein Privatleben verzichten zu müssen, wurden Adressen und Telefonnummern sowohl des Hauses als auch des Büros streng geheimgehalten, und es war praktisch unmöglich geworden, zu King vorzudringen. Und auch seine Liebe zum Rock’n’Roll schien nicht grenzenlos zu sein: Im Frühjahr 1990 verkaufte King seinen Radiosender ohne nähere Angabe von Gründen.
Im Mai dieses Jahres erschien endlich die vollständige und ungekürzte Ausgabe seines Romans THE STAND, die bereits seit geraumer Zeit angekündigt war. Mit 1.153 Seiten war der Roman nun sogar um 15 Seiten länger als das bisher umfangreichste Buch des Autors, IT. Es wurmte King, dass er die Neuausgabe bei Doubleday veröffentlichen musste, doch der Verlag, mit dem er sich wegen des Geldes zerstritten hatte, besaß noch die Rechte daran.
Das Jahr 1990 brachte einige weitere Überraschungen für King und seine Leser. Am 16. April erschien die Story „Head Down“, die sich dem Baseballteam seines Sohnes widmete, und zwar in der angesehenen Zeitschrift New Yorker . Der Aufschrei der literarischen Welt war ungeheuerlich – ein Horror-Autor im New Yorker ?!? –, doch das was Stephen Kings erster Schritt hin zur literarischen Respektabilität.
Und nachdem King jahrelang die Öffentlichkeit gemieden und kaum noch Veranstaltungen besucht hatte, meldete er sich nun bei Bibliotheksveranstaltungen zurück. Im Oktober betrat er in der San Francisco Public Library die Bühne, wartete, bis sich der Applaus gelegt hatte, und begrüßte die Anwesenden mit der klassischen Zeile: „Hi, I’m Johnny Cash.“
Kurz darauf lernte er allerdings wieder die Schattenseiten des Ruhms kennen. Schon seit geraumer Weile beschäftigten sich Kings Anwälte mit der Klage einer gewissen Anne Hiltner aus Princeton, New Jersey, die gerichtlich vorgebracht hatte, King habe die Gestalt der Annie Wilkes, der Krankenschwester aus MISERY (die der „größte Fan“ des Schriftstellers Paul Sheldon war und diesen fast umgebracht hätte), auf ihrer Person begründet, sei in ihr Haus eingebrochen und habe das Manuskript dieses Buches sowie weitere Manuskripte gestohlen. Anne Hiltner, die seit zehn Jahren Briefe an King schickte, verlangte Schadensersatz, einen Anteil an den Einkünften des Buches und dessen Entfernung aus den Buchhandlungen.
Am 19. April des Jahres stand plötzlich ein Mann im Haus der Kings in Bangor (der später als der sechsundzwanzigjährige Erik Keene aus San Antonio, Texas, identifiziert wurde). Er hatte ein Fenster aufgebrochen, war eingestiegen und erklärte Kings Frau Tabitha, er habe eine Bombe im Rucksack. Sie konnte jedoch fliehen und die Polizei alarmieren. Keene wurde festgenommen, und die Bombe entpuppte sich als Attrappe. Später behauptete Keene, er habe sich rächen wollen, weil King seiner „Tante“ Anne Hiltner den Roman MISERY gestohlen habe; die jedoch bestritt jede Verwandtschaft mit dem Mann.
„Ich will nicht leben wie Michael Jackson oder wie Elvis in Graceland“, erklärte King der Bangor Daily News . „Es war schlimm genug, als wir einen Zaun anbringen mussten. Es war schlimmer, als wir ein Tor einbauen mussten. Ich hasse den Gedanken, dieses Tor geschlossen zu halten.“ Damit war klar: Er würde auch weiterhin Spiele „seines“ Baseball-Teams, der Boston Red Sox, besuchen und auf Lesereisen gehen.
Gegen Ende 1991 überraschte Kings Verlag Viking dann mit der Erklärung, einen weiteren Roman des Autors gekauft zu haben, GERALD’S GAME, der „eine thematische Brücke zwischen NEEDFUL THINGS, dem letzten Castle-Rock-Buch, und DOLORES CLAIBORNE bauen und der Leserschaft die Themen dieses Romans verdeutlichen soll.“ Die angekündigten Romane erschienen – weiterhin mit Erstauflagen von jeweils über einer Million Exemplaren – in schneller Folge. Und 1992 erzielte King einen weiteren Rekord in der Verlagsbranche. Er verkaufte die Rechte an seiner dritten Kurzgeschichtensammlung, NIGHTMARES AND DREAMSCAPES, für 13
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