Wer fuerchtet sich vor Stephen King
der Tod durch Verdursten droht, wenn sie sich nicht irgendwie von ihren Handschellen befreien kann. Und leider findet ein streunender, ausgehungerter Hund den Geruch, den der verschiedene Gerald ausströmt, sehr verlockend … Aber das alles wird noch verdunkelt von einer unheimlichen Gestalt, die des Nachts vor ihrem Bett steht: ihr von den Toten zurückgekehrter Vater, der sie holen will?
Ein gewagtes Konzept. Auf fast dreihundert Seiten beschreibt King Jessie Burlinggames Versuche, sich zu befreien – ein Konzept, das auch nur zum Teil aufgeht. Phasenweise gelingt es dem Autor, brisante Spannung zu erzeugen. Genauso wichtig ist natürlich die psychologische Ebene des Romans: Jessie wurde als Zehnjährige von ihrem Vater während einer Sonnenfinsternis sexuell missbraucht und muss nun die Sonnenfinsternis in ihrem Verstand – die verdrängte Erinnerung – bewältigen. King scheint hier anfangs seinem Erfolgsrezept zu vertrauen, innere Ängste zu dämonisieren und ihnen äußere Erscheinungsformen zu verleihen – bis die Handlung plötzlich umschlägt, eine Antiklimax Jessies Überleben vorwegnimmt (sicherlich ein mutiger Schritt) und sich für den Fremden in ihrem Zimmer eine völlig rationale Erklärung findet.
Die Bandbreite der Handlung ist natürlich zu schmal, um von einem bedeutenden Roman sprechen zu können; als Novelle wäre DAS SPIEL eindrucksvoller gewesen. Wichtig scheint aber in erster Linie das Ende zu sein, das die Leser an Kings nächsten Roman heranführen soll. Wie MISERY/SIE kommt DAS SPIEL ohne übersinnliche Elemente aus, und dem Leser stellt sich die Frage, ob sich King endgültig, wie bereits angekündigt, allmählich von der reinen Horrorliteratur abwenden will, wenngleich manche Stellen des realistischen Grauens auch in diesem Buch schon sehr, sehr starken Tobak darstellen – man denke nur an einige Szenen mit Gerald und dem Hund oder die Art und Weise, wie sich Jessie schließlich von ihren Fesseln befreit.
„Alles, was ich tat, tat ich aus Liebe … der Liebe, die eine Mutter für ihre Kinder empfindet. Das ist die stärkste Liebe, die es auf der Welt gibt, und die tödlichste“, sagt Dolores Claiborne am Ende des gleichnamigen Romans, der ihre Lebensgeschichte, ihr Geständnis, ihre Beichte und ihre Rechtfertigung ist.
Das Buch hat die Form eines Monologs von dreihundert Seiten. Dolores Claiborne, Haushälterin der reichen Vera Donovan auf Little Tall Island vor der Küste Maines, wird nach dem Tod ihrer Arbeitgeberin vom Polizeichef und dem Gerichtsmediziner vernommen, und eine Stenotypistin nimmt ihre Aussage auf. Doch diese Außenstehenden kommen nicht zu Wort; es spricht ausschließlich Dolores. Sie erzählt ihre Lebensgeschichte, weil nur so klar wird, weshalb sie getan hat, was sie getan hat; sie legt ein Geständnis ab, weil man sie des Mordes an Vera Donovan beschuldigt, die jedoch eines natürlichen Todes starb; sie legt eine Beichte ab, weil sie zwar nicht Vera, aber vor fast dreißig Jahren ihren Ehemann getötet hat; und sie rechtfertigt ihre Tat, weil sie sie vertreten kann und ihr kein anderer Ausweg blieb.
Dolores Claiborne, eine einfache Frau aus dem Volk. Schon früh hat sie – um in ihrer Sprache zu bleiben – einen Braten in der Röhre; sie bleibt bei ihrem Mann Joe und bekommt zwei weitere Kinder von ihm. Derweil arbeitet sie als Haushälterin für die reiche Vera Donovan, mit der sie bald ein recht enges Verhältnis hat, obwohl Vera ein ausgesprochenes Miststück sein kann, ihr Personal schikaniert, wo es nur geht, eiskalt Kündigungen ausspricht und die Menschen nur als Rädchen im gut geölten Getriebe der Haushaltsführung sieht. Zu Hause ergeht es Dolores nicht viel besser: Ihr Mann prügelt sie, bringt das Geld mit Alkohol und kleinen Pokerspielchen durch. Doch Dolores verschafft sich allmählich Respekt: bei Vera, der sie die Meinung sagt (und das Wunder geschieht, sie wird nicht gekündigt), und bei ihrem Mann, dem sie es mit gleicher Münze heimzahlt und klarmacht, dass es Tote gibt, wenn er sie noch einmal verprügelt.
Jahrelang führt sie ein Leben, das aus viel Arbeit und wenig Freude besteht, bis sich Joe an ihre gemeinsame Tochter Selena heranmacht. Als er dann auch das Geld beiseiteschafft, das sie für die Ausbildung der Kinder gespart hat, ist das Maß voll: Dolores beschließt, ihren Mann zu töten, führt die Tat während der (aus DAS SPIEL bekannten) Sonnenfinsternis am 20. Juli 1963 aus – und kommt damit durch. Das Gesetz zieht
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