Wer glaubt schon an Vampire? (German Edition)
Sie schrie hysterisch auf und betete, dass die Außentür weiter durch die halb geschlossene Sicherheitstüre blockiert bleiben würde. Sie wusste, dass ihr Leben davon abhing.
Dann knallte etwas nicht zu Erkennendes mit voller Wucht gegen die Tür und erschütterte die ganze Kabine. Emmi zuckte zurück, versuchte zu erkennen, was es war. Doch die Form veränderte sich, verschwand kurz und wurde in anderer Konsistenz erneut gegen das Glas geschlagen. Das kreisrunde Ding, das sie nun sah, hatte einen Durchmesser von vielleicht zehn Zentimetern und wurde so fest gegen die Glasscheibe gepresst, dass es seltsam deformiert wirkte. An manchen Stellen zeigte es helle Schattierung von Grau, dann wieder dunkle. Zuerst starrte Emmeline das Gebilde an, weil es sich veränderte und je nach Druck einmal mehr nach rechts, dann wieder nach links verzerrt wurde. Als sie jedoch erkannte, worum es sich bei dem Ding handelte, wurde sie gleich wieder hysterisch und hieb heftiger denn je gegen die Konsole.
Es war die Wange eines Mannes, dessen Kopf mit brutaler Gewalt gegen die Glastür gepresst wurde. Wie die Unterseite einer großen Schnecke robbte die Haut des Opfers hin und her und ließ einmal Ohr und dann wieder Mund erkennen. Es war schauerlich anzusehen und Emmi so außer sich, dass sie sich viel zu fest auf die Lippen biss. Nicht nur, dass sie mit dem alten Monstrum von Aufzug abgestürzt war, musste sie nun auch noch einem Monstrum da draußen zusehen, wie es einen Mann zusammenschlug und ermordete. Zumindest konnte sie sich nicht vorstellen, dass dieser Jemand mit der deformierten Wange je wieder aufstehen würde.
„Scheiße, geh‘ zu!“, schrie sie die verfluchte Siche rheitstüre an und versuchte mittlerweile das Metall der Konstruktion direkt mit ihren Händen zu bearbeiten. Zwei ihrer Fingernägel brachen prompt ab, aber die Tür bewegte sich keinen Millimeter. So laut sie konnte schrie sie los, zerrte an der Tür und drückte mit einem Knie zugleich auf die Konsole. Multitasking in Horrorversion.
Das Grauen aber ging weiter, obwohl Emmi mit ihrer Tür so beschäftigt war, dass sie nur noch die Hälfte mitbekam. Die gedämpften Schreie, das Poltern und das bis zur Unkenntlichkeit verzerrte Gesicht des Mannes brannten sich dennoch tief in ihr Gedächtnis.
Grelles Licht schwirrte in gezackten Linien durch die Luft, leuchtete mal hierhin, dann dorthin. Vor allem aber leuchtete es immer wieder penetrant in ihre Richtung und Emmi wusste genau, was das bedeutete: Der Mörder hatte nicht nur die Taschenlampe am Boden entdeckt, sondern auch die unwillkommene Zeugin im Inneren des Aufzugs! Das nächste Opfer war also nicht schwer zu erraten.
Erneut wurde der Kopf des Mannes gegen die Glasscheibe geschlagen und sein verzerrtes Gesicht von unten mit der Taschenlampe beleuchtet. Emmi fielen bei dem grausigen Anblick fast die Augen aus den Höhlen. Ein Splatter film im Kino war das reinste Kinderspiel gegen das, was sie hier erlebte. Aus dem Hintergrund hörte sie ein lautes, unnatürliches Knurren, gefolgt von knackenden Geräuschen, die an brechende Knochen erinnerten. Mit aller Gewalt drangen diese Laute durch das Glas, besudelten sie und bezogen sie in die Handlung mit ein. Sie spürte förmlich die fremde Macht, die nur wenige Zentimeter vor ihr mordete und gerade einen Menschen bestialisch in seine Einzelteile zerlegte.
Ein Schwall Blut traf das Glas und vermischte sich mit der hellen Farbe der Wange, die laut übers Glas quietschte und schmierige Schlieren und bizarre Muster aus rotem Blut malte. Emmi presste die Faust auf ihren Mund, um nicht laut zu schreien. Ihr Körper schüttelte sich in grässlichen Magenkrämpfen, während sie ihre Faust bereits bis zur Hälfte in den Mund geschoben hatte. Die platt gedrückte Wange veränderte inzwischen ihre Form, löste sich plötzlich von der Scheibe und verschwand im dunklen Nichts, als hätte es sie nie gegeben. Die knackenden und gurgelnden Geräusche aber blieben und variierten lediglich in ihrer Scheußlichkeit und Lautstärke.
Ein Stück abseits leuchtete die Taschenlampe kurz auf, hatte aber wenig Strom und sandte lediglich Lichtblitze, ähnlich dem Flackerlicht einer Disco. Die kurzen Lichtsequenzen reichten jedoch, um Emmi riesige Zähne zu zeigen! Kreuz und quer und überall.
Aber das ist doch nicht möglich! Hektisch blinzelte Emmi und versuchte ihren Blick abzuwenden, konnte aber nicht anders als das geifernde Maul hinter dem Glas weiter zu beobachten. Mehrere
Weitere Kostenlose Bücher