Wer glaubt schon an Vampire? (German Edition)
entschlossen zu. Schnell montierte sie noch das Sorry- Schild mit den Öffnungszeiten für den Nachmittag und machte sich auf den Weg zu Emmis Hotel.
Dort wurde ihr dann mitgeteilt, dass sich Emmeline Myrthe nicht in ihrem Zimmer befände und ein Besuch ohne Anmeldung nicht möglich wäre. Carmen wollte gerade eine Nachricht deponieren, als sich eine junge Frau zu ihr gesellte. Es war die Assistentin des Hotelmanagers.
„Sie suchen Frau Myrthe?“
„Ja, genau!“, erklärte Carmen.
„Die ist vor ungefähr einer Stunde zu Herrn Aron Jäger gegangen. Ich glaube die beiden planen einen Ausflug nach Tomar, zur Templerburg.“
„Sie ist alleine zu Herrn Jäger gegangen?“
„Ja? Wieso?“, fragte die Assistentin überrascht, weil sie Carmens Besorgnis nicht verstehen, aber deutlich sehen konnte. Doch Carmen konnte das freilich nicht erklären. Es war reiner Instinkt, oder eben die übliche Hexensache ihrer Familie, aber sie hatte von diesem Mann so derart negative Schwingungen empfangen, dass sie nun um Emmis Leben fürchtete. In ihren Augen war diesem Aron Jäger alles zuzutrauen, selbst der Mord am Bibliothekar – auch, wenn das sehr weit hergeholt schien. Ihr Gefühl aber schlug Alarm und darauf hatte sie sich noch immer verlassen können.
„Sollen wir für Sie bei Herrn Jäger nachfragen? Wir können ihn ja telefonisch kontaktieren“, meinte die Dame freundlich und Carmen nickte leicht abwesend, denn sie überlegte gerade intensiv, ob sie Knoblauch, Silberkreuz oder gar einen kleinen Holzpflock eingesteckt hatte. Dabei wusste sie, wie dumm das war! Verfluchte Wesen waren nicht so, wie Menschen sich das immer ausmalten oder in Geschichten und Filmen beschrieben. Diese Wesen waren nicht leicht greifbar und noch weniger an greifbar. Es waren vielschichtige Kreaturen, die Menschen als Wirte wählten und oft lange im Verborgenen blieben, ehe sie auf verschiedensten Ebenen ihr Unwesen trieben. Mit Silber und Weihwasser war diesen Kreaturen nicht Herr zu werden, auch wenn Carmen die eine oder andere Gesetzmäßigkeit aus früheren Tagen durchaus zu schätzen wusste. Manchmal hafteten altherkömmlichen Regeln ein ursprünglicher Instinkt an, der im entscheidenden Moment doch wieder genug Kraft und Wirkung zeigen konnte.
Das richtige Mittel wusste Carmen dennoch nicht. Niemand wusste das! Außer vielleicht ein wirklich mächtiger Magier oder eine Hexe. Carmens Familie aber besaß diese starke magische Gabe nicht. Sie hatten zwar so ein kleines Hexending am Kochen und lebten für Tradition und Erhaltung wahrer Geschichten, aber die Macht gegen Verfluchte hatten sie bei weitem nicht. Immer schon hatten sie sich auf die Liebe und ihre schönen Seiten eingeschworen und die Wesen der Nacht, die Untoten und mörderischen Bestien stets ausgeklammert. Und das zu Recht, denn Carmens Familie konnte den Worten einer Geschichte eine gewisse Magie einhauchen und Faszination auslösen. Das für eine gute Sache zu tun, berechtigte sie dazu. Es aber für eine böse Seite anzubieten, war nie in Betracht gekommen. Das Böse an sich jedoch so stark auszuklammern bedeutete auch, es nicht gut zu kennen. Zumindest wusste Carmen kein Rezept gegen wahre Verfluchte und dennoch sehnte sie nun diverse Utensilien aus Film und Fernsehen herbei ... oder zumindest ein Clubsandwich mit besonders viel Knoblauch.
WAS Carmen aber wusste war, dass es seit dem Bestehen der Welt stets auch andere Wesen als Menschen gegeben hatte. Und damit meinte sie nicht Flora oder Fauna, sondern Lebewesen, die nicht erklärbar und meist auch nicht erkennbar waren. Bei Aron Jäger war sie nicht sicher welcher Gattung er angehörte, doch es haftete ihm eindeutig etwas Düsteres und Schauriges an. Und was sie bei ihm so gespürt hatte, kam einem Vampir und seinen Wesenszügen schon verdammt nahe. Aber wer glaubte heutzutage schon noch an Vampire, die ausschließlich Blut tranken und keine Sonne vertrugen? Der ganze Hype auf eine Gattung, die angeblich nur in der Fantasie existierte, zerrte jeden Tag neue Interpretationen ans Tageslicht, brachte Romane und Filme auf den Markt, die zum Teil wirklich dumm waren. All das zog eine mögliche Realität ins Lächerliche und ließ, interessanter Weise, den Glauben an solche Wesen eher verblassen, denn wieder aufleben. Der ganze Wahn glich einem Affenzirkus und hatte nichts mit der Realität und dem schaurigen Teil der Urwesen zu tun, die sich durch Welten bewegen konnten und sich von den Lebensessenzen der Menschen zu
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