Wer hat Alice umgebracht?
übrigen blieben respektvoll einen Schritt zurück. Nun bemerkte ich auch, dass sich zwischen den Gangmitgliedern einige Mädels befanden. Aber das beruhigte mich nicht wirklich. Ich hatte gehört, dass die Frauen in den Gangs mindestens genauso rabiat waren wie die Typen.
Der Kerl, dem die anderen den Vortritt gelassen hatten, war offenbar der Sprecher oder Anführer. Es war der große Rotschopf, dessen Tattoo mir eben schon aufgefallen war.
„He, was fällt euch ein, an meiner Ecke rumzustehen?“
Der Gangtyp sprach meinen Freund an. Und Camerons Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Falls er Angst vor den Kerlen hatte, zeigte er sie jedenfalls nicht.
„Deine Ecke? Ich wusste nicht, dass diese Straßen hier dir gehören. Ich sehe nirgendwo dein Namensschild. Oder heißt du vielleicht zufällig Drumchapel Road?“
Der Anführer grinste breit, aber seine tückischen kleinen Augen lachten nicht mit.
„Ein Komiker. Du bist ja richtig lustig. Wirst du es auch noch komisch finden, wenn wir deiner kleinen Freundin die Klamotten vom Leib reißen?“
Der Rothaarige warf mir einen Seitenblick zu. Ich hatte keinen Zweifel daran, dass diese Typen dazu fähig waren. Und das war dann vermutlich noch die harmloseste Aktion, die ich von ihnen erwarten konnte.
„Habt ihr nichts anderes zu tun?“, fragte Cameron zurück. „Ich dachte, ihr Bloody Priests wärt vollauf damit beschäftigt, alten Ladys die Handtaschen zu klauen.“
Ich hoffte, dass Cameron wusste, was er tat. Falls es ihm darauf ankam, den Anführer wütend zu machen, hatte er das jedenfalls schon erreicht. Ich bemerkte ein gemeines Glitzern in den Augen des Rotschopfs, und das gefiel mir gar nicht.
„Handtaschen abziehen? Wenn du glaubst, mehr hätten wir nicht drauf, dann wirst du es noch bitter bereu… aaaah!“
Der Satz des Gangbosses ging in einem Schmerzensschrei unter. Denn Cameron trat ihm gegen das linke Knie, um gleich darauf wegzusprinten.
„Kriegt mich doch, ihr Lutscher!“, rief er den Bloody Priests über die Schulter hinweg zu. Der Rothaarige stürzte zu Boden. Das bekam ich allerdings nur aus dem Augenwinkel mit, weil ich nun ebenfalls losgerannt war.
„Mädels, schnappt euch das kleine Miststück!“, rief der Anführer. Mit dem Miststück war offenbar ich gemeint. Die Gangtussis rannten nun hinter mir her. Ich konnte nur hoffen, dass Camerons Plan aufging. Nach seinen Provokationen würden diese Kleinkriminellen Hackfleisch aus uns machen, wenn sie uns in die Finger bekamen. Aber andererseits wären wir wahrscheinlich sowieso geliefert gewesen, weil wir uns zur falschen Zeit am falschen Ort aufgehalten hatten.
Und das alles nur wegen diesem verfluchten MacLaren.
„Bleib stehen, du Schlampe!“
Das tat ich natürlich nicht, im Gegenteil. Das wütende Kreischen hinter mir spornte mich nur zu noch mehr Tempo an. Die Todesangst kurbelte meinen Adrenalinspiegel in ungeahnte Höhen. Ein bestimmtes Ziel hatte ich nicht. Ich rannte einfach in Richtung Glenkirk Drive. Plötzlich bog ein Auto aus der Spey Road in die Hauptstraße ein. Wenn der Fahrer nicht in die Eisen gestiegen wäre, hätte er mich glatt überfahren. Er erschrak sich wahrscheinlich noch mehr als ich, als die Stoßstange nur wenige Zentimeter an meinen Schienbeinen vorbeijagte. Dann kam der Wagen zum Stehen, und der Mann hinter dem Lenkrad hupte empört. Ich konnte es ihm nicht verdenken. Aber ich hatte keine Zeit für eine Entschuldigung. Stattdessen warf ich nur einen bedauernden Blick über die Schulter hinter mich.
Und ich bemerkte, dass meine Verfolgerinnen aufgeholt hatten!
Es waren drei Mädels, die es auf mich abgesehen hatten. Doch selbst wenn es nur eine gewesen wäre, rechnete ich mir keine guten Chancen aus. Wer in einer Gang war, für den zählten Schlägereien zum Alltag. Nach allem, was ich gehört hatte, waren die weiblichen Bloody Priests kaum weniger hart drauf als ihre Macker.
Doch momentan drohte mir mehr Gefahr vom miserablen Straßenbelag der Drumchapel Road als von diesen Prügelmiezen. Das merkte ich allerdings erst, als es schon zu spät war. Ich trat nämlich in eins der faustgroßen Löcher, die sich in dem rissigen Asphalt befanden. Ein heißer Schmerz durchzuckte meinen Knöchel, und ich knallte der Länge nach zu Boden.
Einen Moment lang war ich benommen. Verzweifelt versuchte ich, wieder auf die Beine zu kommen. Aber da hatten mich die drei Gang-Chicks schon eingeholt. Eine von ihnen packte mich an der Jacke.
„Unten
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