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Wer hat Angst vor Beowulf?

Wer hat Angst vor Beowulf?

Titel: Wer hat Angst vor Beowulf? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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leise flüsternden Stimmen.
    »Verdoppelt macht das zweiunddreißig Punkte überm Strich, und sechs sind übrig, das macht achtunddreißig. Zwei für diese Rübe macht vierzig, und das heißt, daß ich noch mal würfeln darf, und diesmal geh ich nach Norden. Wenn ich also mehr als sechzehn schaff, kann ich passieren und einen neuen Block bilden.«
    »Rutsch mir doch den Buckel runter«, murrte die andere Stimme.
    Ein leicht klirrendes Geräusch war zu hören. »Sechs«, triumphierte die erste Stimme mit unverhohlenem Vergnügen. »Sechs nach oben. Oje … Kladderadatsch! Eimerweise Blut und ab nach unten in den roten Rachen der Schlange.«
    »Geschieht dir ganz recht.«
    Dann herrschte Stille – wirkliche Stille, es sei denn, man hätte gehört, wie das Gras seine Wurzeln tiefer in die Erde trieb. Die Augen eines aufmerksamen Beobachters hätten allerdings tief in der Finsternis unter dem Kiel des Schiffs vier winzige milchweiße Lichtpunkte erspäht.
    »Das ist ein Scheißspiel«, beklagte sich die erste Stimme. »Warum spielen wir nicht was anderes?«
    »Das sagst du nur, weil du verlierst.«
    »Wir haben dieses Spiel zwölfhundert Jahren lang gespielt«, fuhr die erste Stimme verdrossen fort, »und ich hab die Nase langsam voll.«
    Wieder war das klirrende Geräusch zu hören.
    »Vier«, sagte die zweite Stimme unbeeindruckt. »Doppelter Runenpunkt. Ich denke, ich werd mir noch ein Langhaus auf Uppsala gönnen.«
    »Uppsala gehört mir, oder etwa nicht?«
    »Du hast es mir für einen Drachen und dreihundert Punkte unterm Strich verkauft.«
    »Ojemine.« Wieder herrschte völlige Stille. »Sag mal, was war das da eigentlich vorhin für eine Unruhe?«
    »Was für eine Unruhe?« fragte die zweite Stimme. »Ich hab nichts bemerkt.«
    »Na hör mal, da war doch ein Kommen und Gehen. Außerdem Stimmen, klirrendes Metall, fluchende Leute und sogar ein bißchen Licht.«
    »Licht?« hakte die zweite Stimme grübelnd nach. »Das ist doch dieses Zeug, das aus dem Himmel kommt, oder?«
    »Das oder Regen. War das jetzt dein Zug?«
    »Kann man so sagen.«
    »Also gut, dann nehme ich deine Burg und setz dich vermutlich gleich matt … oje!«
    »Nein, das tust du nicht. Du mußt nämlich eine Runde aussetzen.«
    »Muß ich nicht.«
    »Mußt du doch.«
    Vollkommene Stille. Sogar die Würmer schienen damit aufgehört zu haben, in der torfhaltigen Erde herumzuschnüffeln.
    »Sollen wir nun gehen und nachsehen?«
    »Nach was?«
    »Nach den Geräuschen. Ich bin sicher, daß sich da was bewegt hat.«
    »Du bildest dir das alles nur ein.«
    »Nein, tu ich nicht. Ich glaub, da ist jemand rausgegangen … oder reingekommen. Jedenfalls war da was.«
    »Hör mal, spielen wir jetzt endlich weiter oder was?«
    »Ich werd mal nachsehen.« Zwei von den blassen Lichtpunkten schienen sich um den Kiel des Schiffs herum zu bewegen, dann die Leiter hinauf, wieder ein Stück nach unten und schließlich im Grabhügel rings im Kreis. »Hier, komm her und schau dir das selbst an!« rief die erste Stimme aufgeregt. »Da ist ein Loch.«
    »Was für ’ne Sorte Loch?«
    »Irgendein Loch. Was weiß ich? Ein Loch, das nach draußen führt.«
    Das zweite Lichterpaar kletterte hinauf und bewegte sich auf das erste Paar zu.
    »Du hast recht, das ist ein Loch«, bestätigte die zweite Stimme.
    »Und was machen wir jetzt damit?«
    »Na, raus hier.«
    Kurze Zeit später lagen außerhalb des Grabhügels zwei kleine Gestalten im Gras, die, geblendet vom trüben Sternenlicht, wie benommen waren.
    »Wenn das hier Licht ist«, sagte die eine Gestalt zur anderen, »dann kannst du’s behalten.«
    Aber die andere Gestalt hob vorsichtig den Kopf und schnüffelte. »Es riecht wie Licht«, sagte sie zögernd, »und schmeckt wie Licht. Weißt du eigentlich, was das bedeutet, Zxerp?«
    »Das bedeutet, daß ich im großen und ganzen das andere bevorzuge. Wie hieß das noch mal? Regen, stimmt’s?«
    »Das bedeutet, daß wir frei sind, Zxerp! Nach eintausendzweihundertsechsundvierzig Jahren, drei Monaten und elf Tagen in diesem stinkenden Loch sind wir tatsächlich frei.«
    Einen Moment lang schwiegen beide. »Ehrlich? Hat aber wirklich ’n bißchen was von ’ner Enttäuschung«, murmelte Zxerp traurig.
    »Ach, scher dich doch zum Teufel«, winkte Prexz ab. Er war von Natur aus vergnügt und optimistisch, reichlich ungewöhnlich für einen chthonischen Geist. Seitdem er und sein Bruder Zxerp in König Hrolfs Grab in die Falle geraten waren, hatte er die Hoffnung niemals ganz

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