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Wer hat Angst vor Beowulf?

Wer hat Angst vor Beowulf?

Titel: Wer hat Angst vor Beowulf? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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– selbst alles über Faxgeräte und die Art und Weise, in der Textverarbeitungssysteme ganze Kapitel schlucken und sich weigern, diese wieder herauszugeben. Hildy brach mittendrin ab und starrte ihn verdutzt an.
    »Ich wußte doch, daß Sie etwas ausgelassen hatten«, sagte der König.
    »Aber woher hätten Sie das wissen können?« fragte Hildy. »Ich meine, das alles muß sich für Sie doch völlig merkwürdig anhören.«
    Der König hob erneut eine Augenbraue. »Was soll an Zauberei so merkwürdig sein? Oder wissen Sie nichts über die Welt, in der wir gelebt haben?«
    »Doch, doch. Ich weiß sogar eine ganze Menge«, beteuerte Hildy stolz. »Ich hab sämtliche Sagen und Eddas gelesen, einfach alles.«
    Der König nickte. »Offenbar sind Sie eine sehr weise Frau«, sagte er mit gespieltem Respekt. »Eine Lehrmeisterin des Sagenguts sogar. Dann wissen Sie bestimmt auch alles über Zauberei, nicht wahr?«
    »Aber was ich Ihnen erzählt hab, hat nichts mit Zauberei zu tun«, wehrte sich Hildy. »Das ist Wissenschaft.«
    »Und Sie sind auch keine Grabräuberin, sondern eine Archäologin.« Der König lachte erneut, und Hildy errötete; und das war ihr seit zwanzig Jahren nicht mehr passiert. »Das ist offensichtlich nichts anderes als ganz gewöhnliche Zauberei, Hildy Frederikstochter, nur hört es sich wesentlich weltlicher an, und es scheint heute davon mehr zu geben als früher …« Während er diese Worte sprach, schien ihm irgend etwas Sorgen zu bereiten, und er verstummte plötzlich.
    »Bist du jetzt endlich fertig?« beschwerte sich eine Stimme hinter dem König. »Ein paar von uns hier drüben verhungern und erfrieren allmählich.«
    Der König schloß die Augen und bat irgendeine namenlose Macht, ihm Kraft zu geben. Aus der Ferne hörte Hildy das Geräusch eines herannahenden Autos. Sofort schaute sie über die Schulter zur Straße hinüber, und man konnte bereits das Scheinwerferlicht erkennen. Die Krieger blickten sich ebenfalls nach hinten um. Die Lichter kamen näher, wurden jedoch langsamer, und Hildy war klar, daß der Wagen anhalten würde. Einer der Männer hatte bereits sein Schwert gezückt, und die anderen murmelten etwas davon, wer eigentlich an der Reihe sei, gegen den Drachen zu kämpfen, und wer es das letztemal getan habe. Zudem sei es nicht fair, immer denselben die Drecksarbeit erledigen zu lassen. Aber Hildy hatte plötzlich das Gefühl, daß der König und seine Männer um keinen Preis von jemandem gesehen werden durften. Ob es sich dabei um eine echte Vorahnung einer drohenden Gefahr oder lediglich um das Verlangen handelte, sämtliche Wikinger für sich zu behalten – zumindest noch ein wenig länger –, wußte sie allerdings selbst nicht so genau.
    »Bitte!« flehte sie den König an. »Man darf Sie hier nicht sehen. Ich muß Sie hier wegbringen.«
    Der König blickte ihr in die Augen und nickte. Die Männer verstummten und steckten ihre Schwerter wieder in die Scheiden.
    »Hier entlang!« rief Hildy und nahm Kurs auf den Kleinbus. Der König und seine Krieger folgten ihr.
    »Da geh ich nicht rein«, protestierte der Bannerträger. »Das Ding hat nicht mal Ruder.«
    »Halt’s Maul und steig ein!« raunzte ihn der König an, woraufhin der Bannerträger maulend einstieg und sich mißmutig auf einen Sitz fallen ließ. Seine Männer folgten ihm rasch und traten sich dabei gegenseitig auf die Füße.
    »Setzen Sie sich hier neben mich«, flüsterte Hildy dem König zu. »Wir müssen uns beeilen.«
    Sie löste die Handbremse, und ohne den Motor anzulassen oder die Scheinwerfer einzuschalten, ließ sie den Kleinbus über den holprigen Boden den Abhang hinunter zur Straße rollen. Der Polizeiwagen hatte mittlerweile angehalten, und man sah jetzt die Lichtkegel der Taschenlampen, als die Polizisten auf den Grabhügel kletterten. Hildy ließ den Bus weiter die Straße hinunterrollen, bis sie annahm, außer Hörweite zu sein. Dann erst startete sie den Motor und fuhr davon.
     
    In dem verlassenen Grabhügel rührte sich nichts, und die Dunkelheit war vollkommen. Ein goldener Kelch, der durch einen vorbeistreifenden Fuß aus dem Gleichgewicht gekommen war, als die Wikinger aus dem Schiff gestiegen waren, fiel schließlich um und rutschte mit einem Plumpsen in den Laderaum. Jemand mit einem außergewöhnlichen Gehör hätte möglicherweise ein schwaches Geräusch vernommen, um es dann seiner Einbildung zuzuschreiben, die ihm einen Streich gespielt hatte. Es war ein Geräusch wie von zwei sehr

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