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Wer hat Angst vor Beowulf?

Wer hat Angst vor Beowulf?

Titel: Wer hat Angst vor Beowulf? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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»Davon können wir jedenfalls ausgehen, denn ich spüre sie überall um mich herum. Und ich glaube, diese Frau Hildy Frederikstochter hat recht – wir dürfen uns nicht zu erkennen geben, solange wir nicht herausgefunden haben, was hier eigentlich vor sich geht. Ich habe keinerlei Zweifel, daß die Macht des Feinds gewachsen ist, während wir geschlafen haben.«
    Als Hildy erschöpft und schwerbeladen mit zwei Tragetaschen zurückkehrte, befahl der König seinen Männern, still zu sein, und sagte dann, an Frederikstochter gewandt: »Wir sollten lieber nicht in dieser Stadt bleiben. Können Sie uns auf das offene Land zurückbringen?«
    Hildy nickte nur; sie war viel zu erschöpft, um etwas zu sagen. Nachdem sie Thurso verlassen hatten, fuhren sie mit dem Kleinbus etwa eine halbe Stunde lang über die Landstraße, bis sie unterhalb eines Bergs ödes und verlassenes Moorland erreichten. Dort stieg die ganze Truppe aus und entzündete in einer kleinen Senke, die von der Straße aus nicht einzusehen war, ein Feuer. Hildy verteilte Papiertüten mit Dorsch und Pommes frites und Bierdosen, die die Krieger mit größtem Mißtrauen von allen Seiten musterten.
    »Ich fürchte, das Essen ist leider etwas kalt geworden«, sagte Hildy. »Aber immer noch besser als gar nichts, oder?«
    »Was ist das überhaupt?« wollte der Hornträger wissen. »Ich meine, was macht man damit?«
    »Sie müssen das Papier entfernen«, sagte Hildy, woraufhin der Riese erstaunt aufblickte; er hatte seine Portion bereits samt Verpackung verschlungen. »Das braune Zeug außen herum nennt man Teig. Es wird aus Eiern, Mehl und anderen Dingen zubereitet. Innen drin ist Fisch.«
    »Ich mag keinen Fisch«, nörgelte ein Krieger, der einen silbernen Helm trug.
    »Die kleinen braunen Dinger sind Pommes frites«, fuhr Hildy unbeirrt fort, »die hatte man zu Ihrer Zeit noch nicht erfunden. In diesen kleinen Metallröhren ist Bier.«
    Der Krieger mit dem Silberhelm wollte gerade zu der Frage ansetzen, ob man statt des Biers nicht auch irgendwelches Met bekommen könne, aber der König blickte ihn stirnrunzelnd an und sagte: »Ganz ausgezeichnet! Wir schulden Ihnen schon jetzt eine ganze Menge, Hildy Frederikstochter.«
    Hildy nickte – sie schuldeten ihr exakt zweiundzwanzig Pfund und fünfundsiebzig Pence, und sie sah nur eine geringe Chance, ihre Auslagen jemals wiederzubekommen. Die Autoren all der Sagen, die sie gelesen hatte, waren bei ihren Schilderungen bezüglich der anfallenden Kosten für Massenverpflegung stets auffällig zurückhaltend gewesen.
    »Keine Ursache«, seufzte sie erschöpft, »es war mir ein Vergnügen.«
    »Als Gegenleistung«, nuschelte der König, der den Mund voller Dorsch hatte, »muß ich Ihnen erst einmal erklären, wer wir sind und warum wir in dem Grab geschlafen haben. Aber denken Sie bitte daran, daß dies eine äußerst ernste Angelegenheit ist. Weise ist derjenige, der weiß, wann man spricht; weiser noch derjenige, der weiß, wann man schweigt.«
    »Ich hab verstanden«, sagte Hildy, die den letzten Ausspruch des Königs als Zitat aus der ›Älteren Edda‹ erkannt hatte. »Fahren Sie bitte fort.«
    Der König verbog seine Bierdose in die Form eines Trinkhorns und zog den Ringverschluß ab. »Mein Vater war Ketil Trout«, begann er, »und er herrschte über Caithness und die Orkneyinseln. Er war ein weiser und mächtiger König, nicht übermäßig beliebt bei seinen Untertanen, aber von seinen Feinden gefürchtet. Als er in der Schlacht fiel, wurde er in seinem Schiff begraben.«
    »Wo?« fragte Hildy, denn hin und wieder erwachte in ihr immer noch der archäologische Instinkt. Aber der König ging nicht auf sie ein.
    »Ich war sein Thronfolger«, fuhr er fort. »Zu jener Zeit war ich erst vierzehn Jahre alt, und mein Onkel Hakon Kralle herrschte als Regent, bis ich das Alter von sechzehn erreichte. Als ich den Thron bestieg, führte ich mein Volk in den Krieg. Ich war damals stark und groß für mein Alter und brannte vor Begierde, Ruhm zu erlangen. Die Menschen verehrten mich, und ich sah eine Reihe von herrlichen Siegen voraus; mein Schwert steckte nie in der Scheide, mein Banner wurde niemals eingerollt, mein Königreich gewann von Tag zu Tag an Größe und Macht.«
    Der König hielt an dieser Stelle inne, und Hildy sah im Schein des Feuers, daß in seinen wachen hellen Augen Tränen standen. Sie wartete geduldig, bis er weitererzählte.
    »Wie Sie sehen, Hildy Frederikstochter, war ich in meiner Jugend nichts

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