Wer hat Angst vor Beowulf?
etwas vor sich hin zu murmeln, und fast gleichzeitig sprangen zwei große Lachse in hohem Bogen aus dem Wasser heraus und landeten direkt im Schoß des Königs.
»Das erspart uns diese ganze Herumfummelei mit Haken und Angelschnüren«, erklärte der König. »Haben Sie schon gefrühstückt?«
»Nein, aber ich mag morgens nicht früh …«
»Das kann ich ihnen nicht verübeln«, unterbrach sie der König. »Schon wieder Kaninchen, nehme ich an. Und angebrannt auch noch, wie ich die kenne. Keine Phantasie, diese Kerle.«
Der Zauberer hatte mittlerweile den Bach wieder überquert, und der König machte sich daran, den Lachs zuzubereiten, während Hildy leicht angeekelt beiseite schaute.
»Kotkel und ich haben uns Gedanken gemacht«, wechselte der König das Thema. »Offenbar ist es nicht gut, wenn wir hier draußen herumlungern, uns einen schönen Lenz machen und nur darauf warten, daß der Feind zu uns kommt. Andererseits sind wir nicht gerade darauf vorbereitet, uns einfach auf den Weg zu machen und nach ihm zu suchen. Obwohl ich nicht glaube, daß er allzuschwer zu finden ist.«
Er warf irgend etwas ins Wasser, und Hildy zuckte unwillkürlich zusammen; als Kind mußte sie immer hinausgebracht werden, wenn ihre Mutter den Fisch mit Kopf servierte.
»Also denke ich, daß wir eine Stelle suchen sollten, wo wir uns vorbereiten können. Finden Sie nicht auch? Dazu werden wir allerdings ein paar Dinge benötigen. Ich bin zwar nie sehr modebewußt gewesen, und es liegt mir fern, Ihnen gegenüber irgendwelche persönlichen Bemerkungen fallenzulassen – aber tragen heutzutage alle Leute solche merkwürdigen Kleidungsstücke wie Sie?«
Verdutzt blickte Hildy den König mit seinem Harnisch aus Stahl und den Wolfsfellgamaschen an und sagte schließlich nur: »Ja.«
»Na gut«, grummelte der König. »Schließlich dürfen wir nicht verdächtig erscheinen, stimmt’s? Also brauchen wir Kleidungsstücke und einen Ort, wo wir uns aufhalten können. Möglicherweise auch noch andere Dinge. Ich fürchte, Sie werden sich auch hierbei um uns kümmern müssen.«
Für Hildy hörte sich das alles überhaupt nicht gut an. Ihres Wissens hatte sie nur noch rund zweihundert Pfund auf der Bank, und der nächste Beihilfescheck war erst in drei Wochen fällig.
»Die Frage ist nur«, fuhr der König fort, »was besitzen wir überhaupt, womit wir Handel treiben könnten?«
Hildy hatte eine glänzende Idee. An dem Uniformrock des Königs hing eine kleine Brosche aus emailliertem Gold in der Form eines galoppierenden Pferds. Sie zeigte mit dem Finger darauf und fragte: »Könnten Sie mir die überlassen?«
Der König blickte auf die Brosche. »Das ist ein Geschenk meiner Tante, Gudrun Thordstochter. Eigentlich mochte ich diese Brosche nie besonders gern. Wertvoll ist Gold, das Geschenk der Grafen, aber viel wertvoller ist immer noch die Hilfe von Freunden … oder so ähnlich.«
Er nahm die Brosche ab und reichte sie ihr. Hildy warf einen Blick auf die riesigen kahlen Hügel und auf den dichten Wald direkt vor ihren Augen.
»Ich kenne mehrere Antiquitätenhändler in London … Erinnern Sie sich an London?«
»Das steht immer noch?« Der König hob eine Augenbraue. »Sie überraschen mich. Ich hätte damals nie gedacht, daß es sich so lange halten würde. Aber fahren Sie fort.«
»Die würden für die Brosche eine ganze Menge bezahlen, ohne irgendwelche Fragen zu stellen. Jedenfalls genug Geld, um weitermachen zu können.«
»Aber London ist eine mehrwöchige Reise von hier entfernt«, wandte der König ein.
»Heute nicht mehr«, klärte Hildy ihn auf. »Ich wäre nur zwei, höchstens drei Tage unterwegs.«
Der König nickte. »Ich nehme an, daß wir auch drei Tage lang auf uns selbst aufpassen können. Außerdem haben wir dann Zeit, uns Gedanken darüber zu machen, was genau wir eigentlich zu tun haben. Aber seien Sie vorsichtig. Soweit ich weiß, weiß der Feind bereits von uns.«
Aus irgendeinem Grund fröstelte Hildy, obwohl das kleine Feuer des Königs hell loderte. Sie hatte keine Ahnung, um wen es sich bei diesem seltsamen Feind handelte, aber als der König dessen Name aussprach, wurde sie von einem unerklärlichen Unbehagen befallen, das sie stark an das Gefühl erinnerte, das sie jedesmal empfand, wenn sie nach dem Lesen einer Gespenstergeschichte nicht richtig einschlafen konnte – obwohl sie nicht an Geister glaubte.
Der König schien ihre Gedanken lesen zu können, denn er legte ihr eine Hand auf die Schulter und
Weitere Kostenlose Bücher