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Wer hat Angst vor Beowulf?

Wer hat Angst vor Beowulf?

Titel: Wer hat Angst vor Beowulf? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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sagte: »Ich glaube, Sie werden den Feind auch so erkennen, spätestens dann, wenn Sie ihm oder seinen Taten begegnen. Außerdem nehme ich an, daß Sie die meisten davon bereits kennen. Es wird Ihnen wie bei einem Haus oder einer Straßenbiegung vorkommen, an der Sie schon viele Male vorbeigekommen sind, bis Ihnen eines Tags jemand eine Geschichte über diesen Ort erzählt – daß dort zum Beispiel ein Mord geschehen ist oder eine verrückte alte Frau viele Jahre lang gelebt hat –, und schon wird dieser Ort für Sie nie mehr der gleiche sein wie zuvor. Hier, in diesen bis heute unverändert gebliebenen Bergen, kann ich keine rechte Angst vor dem Feind empfinden, obwohl ich in dieser Gegend einmal gegen ihn kämpfte und die von ihm ausgehende Gefahr in jeder Bodenfalte roch. Aber jetzt glaube ich, daß seine Schiffe anderswo am Strand liegen und sein Heer andere Straßen überwacht. Ich erinnere mich, daß er Vögel als Spione und Boten einsetzt: Raben, Krähen und Adler. Also wußten wir damals, wenn wir marschierten, daß er uns jederzeit sehen und unsere Stärke einschätzen konnte. Ich nehme an, daß er heute andere Spione hat. Im Augenblick ist es das wichtigste, daß er uns nicht sieht. Natürlich wird er zuallererst hier nachsehen, und wir sind nun mal keine Streitmacht, die in der Lage ist, eine Schlacht zu schlagen. Wir können nicht gegen seine Heere antreten, sondern nur gegen ihn selbst kämpfen, Mann gegen Mann, in seiner eigenen Festung. Falls es uns gelingt, diese Festung ausfindig zu machen und zu erreichen, bevor er uns aufstöbert und mit dem Daumen zerquetscht.«
    Der König verstummte und schloß die Augen. Obwohl von allen Seiten Gefahr drohte, empfand Hildy keine echte Angst; schließlich war der König mit seinen Kriegern bei ihr, und er würde bestimmt einen Weg finden.
    »Der Lachs ist fertig«, sagte er plötzlich. »Bedienen Sie sich.«
    »Nein, danke. Ich frühstücke nie. Außerdem muß ich los.«
    »Dann viel Glück!« rief ihr der König hinterher, ohne von seinem Lachs aufzublicken. »Und seien Sie vorsichtig.«
    Hildy ging zum Lager zurück, wo sie den Kleinbus geparkt hatte.
    »Wollen Sie irgendwohin?« erkundigte sich Arvarodd, der am Feuer saß und an einem Stein Pfeilspitzen schärfte.
    »Ja«, entgegnete Hildy. »Ich werde ungefähr einen Tag fort sein. Der König braucht ein paar Dinge, bevor wir gemeinsam aufbrechen.«
    »Allein?«
    »Ja.«
    »Riskant, riskant.« Arvarodd stand auf und streckte die Arme weit aus. »Macht nichts, ich glaube, Sie werden auch allein zurechtkommen. Ich meine, Sie wissen sich natürlich in der heutigen Welt zurechtzufinden, und deshalb nehme ich an, machen Sie sich auch keine Sorgen, stimmt’s?«
    »Ja«, entgegnete Hildy verunsichert. »Das nehme ich jedenfalls an.«
    »Obwohl, Vorsicht ist besser als Nachsicht«, mahnte Arvarodd und kramte in der Ziegenfelltasche an seiner Seite. Dann flüsterte er geheimnisvoll: »Kommen Sie mal hier herüber.«
    »Wenn Sie meinen.«
    Er zog ein kleines Leinentuchbündel aus der Tasche und legte es neben sich ins Gras. »Als ich in Permia war«, flüsterte er weiter, »hab ich auch ein paar nützliche Dinge gefunden und dafür gesorgt, daß niemand jemals herausfinden kann, was es damit auf sich hat. Also werden Sie nie etwas davon in einer dieser scheußlichen Sagen gelesen haben. Ganz nebenbei bemerkt, hab ich auch nie einen Penny Tantiemen dafür gesehen. Diese Teile könnten jedenfalls eine nützliche Rolle spielen. Ich möchte sie allerdings wieder zurückhaben.«
    Arvarodd faltete das Tuch auseinander und holte drei kleine Kieselsteine und einen Knochensplitter hervor, in den etwas unbeholfen eine Rune eingeritzt war.
    »Ich gebe zwar zu, daß diese Dinger nicht gerade schön sind, aber immerhin«, fuhr er fort. »Dieses kieselsteinartige Gebilde ist eigentlich der Gallenstein des Drachen Fafnir, der von Sigurd Sigmundarsson erschlagen wurde, aber das wissen Sie ja wahrscheinlich besser als ich. So unwahrscheinlich es auch klingen mag, dieser Stein ermöglicht es Ihnen, jede menschliche Sprache zu verstehen. Und dieser Stein hier, der dem anderen bemerkenswert ähnelt, stammt von der Küste Asgards. Wenn Sie den auf irgend etwas werfen, verwandelt er sich noch im Flug in einen dicken Felsbrocken und haut alles platt, was ihm im Weg steht. Danach verwandelt er sich wieder in einen Bergkristall und kehrt in Ihre Hand zurück. Dieser Knochen hier ist ein Splitter aus dem Kiefer Ymirs des Himmelsvaters. Ymir

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