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Wer hat Angst vor Beowulf?

Wer hat Angst vor Beowulf?

Titel: Wer hat Angst vor Beowulf? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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ein fester Begriff war. Dann waren da noch ein Artikel über Fortschritte in der Satellitenkommunikation und eine Diskussion über den Einsatz von Werbung bei Wahlkämpfen. Es gab mehrere Nachrichten über die kommerzielle Finanzierung von Universitäten und eine Menge über Kernkraft, anscheinend aus Fernschreibermeldungen und Faxrollen zusammengeschnitten, wie sie in allen Redaktionsräumen hängen. Das Ganze schien so etwas wie einen zweifelhaften Sinn zu ergeben, und sie begann noch einmal von vorn. Je länger sie las, um so mehr Sinn schien das alles zu ergeben, obwohl sie nicht genau erfassen konnte, was der eigentliche Sinn war. Wahrscheinlich redete sie sich das alles nur ein, und so ging sie in den Speisewagen, um einen Kaffee zu trinken.
    Sie hatte Kopfschmerzen und versuchte, etwas zu schlafen, aber als sie vor sich hin döste, hatte sie einen Traum. Sie stand auf dem Dach eines sehr hohen Bürogebäudes irgendwo in Manhattan oder Chicago, und unter ihr breiteten sich alle Königreiche der Welt aus. Das war zwar eigenartig genug, aber noch merkwürdiger war die Tatsache, daß große Gebiete der Erde anscheinend gefärbt oder kreuzschattiert waren, und das in einer Farbe, die sie nie zuvor gesehen hatte. Dann rollte etwas aus ihrer Tasche, und sie bückte sich, um es wieder aufzuheben. Es war der dritte Kieselstein, den Arvarodd ihr geliehen hatte, derjenige also, dessen Nutzen unbekannt war, und er hatte dieselbe Farbe wie die Kreuzschattierungen.
    Als der Zug über eine unebene Wegstrecke fuhr, erwachte Hildy. Nachdem sie ihre Gedanken wieder gesammelt hatte, holte sie das Stoffbündel hervor und nahm den dritten Kieselstein heraus. Er fühlte sich in ihrer Hand warm an, und irgend etwas veranlaßte sie, ihn in den Mund zu stecken und darauf herumzulutschen. Er schmeckte ziemlich bitter, aber nicht unangenehm, und sie nahm die Zeitung zur Hand und las sie ein drittes Mal.
    Als der Zug schließlich in Euston einfuhr, schwitzte sie am ganzen Körper und hatte schreckliche Angst. Sie nahm den Stein aus dem Mund, steckte ihn in die Tasche und begab sich auf kürzestem Weg in ein kleines, nicht allzu schreckliches Hotel, in dem sie schon einmal übernachtet hatte. In dieser Nacht schlief sie nicht sehr gut.
     
    Pünktlich um halb zehn begab sie sich am nächsten Morgen nach Holborn, wo die Antiquitätenhändler ihre Höhlen haben, und verwandelte dort die goldene Brosche in siebentausend Pfund Bargeld. Es kam ihr zwar seltsam vor, mit soviel Geld in der Tasche herumzulaufen, aber sie war nicht in der Stimmung, es einer Bank anzuvertrauen.
    Danach suchte sie den Buchladen der Londoner Universität auf, wo sie eine ganze Reihe altnorwegischer und angelsächsischer Texte kaufte, die so gefragt waren, daß die Preise auf den Rückseiten noch in Schillingen angegeben waren. Anschließend ging sie ins Britische Museum, wo sie mehrere Stunden im Lesezimmer verbrachte. Nach einer Tasse Kaffee und einem Hamburger nahm sie einen Zug nach Inverness. Zwar dauerte die Bahnfahrt diesmal noch länger als die Hinreise, trotzdem verging die Zeit wie im Flug, denn sie war es gewohnt, im Zug zu arbeiten.
    Die Nacht verbrachte Hildy in einem Hotel in Inverness und den nächsten Morgen bei Gebrauchtwagenhändlern, wo sie versuchte, einen vierzehnsitzigen Kleinlastwagen zu finden. Die meisten Autos, die in ihrer Preisklasse lagen, hatten entweder keinen Motor oder weniger als die übliche Anzahl von Rädern. Zufälligerweise fand sie schließlich doch noch etwas Passendes, das sie auf den Namen Sleipnir taufte, nach dem achtbeinigen Streitroß des Gottes Odin. Dann ging sie zu Marks & Spencer und kaufte vierzehn Anzüge; die Größen mußte sie raten, aber sie wußte, daß man Waren von Marks & Spencer jederzeit umtauschen kann, wenn sie nicht passen. Die Frau an der Kasse warf ihr einen mißtrauischen Blick zu, und Hildy konnte es ihr nicht einmal verübeln. Das Schlimmste, was man ihr hätte unterstellen können, wäre die Gründung einer Ortsgruppe der Zeugen Jehovas gewesen; und das würde nicht einmal in Schottland als Verbrechen geahndet. Schuhe waren ein größeres Problem, und sie entschied sich für schlichte Modelle in Schwarz, die nach ihrem Dafürhalten als ›zeitlos‹ galten – was sie letztendlich ja auch sein mußten.
    Es gab aber noch andere Dinge zu besorgen, vor allem Nahrungsmittel, Wolldecken und Campingöfen, und als sie endlich alles beisammen hatte, war nicht mehr viel Geld übrig und sie selbst völlig

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