Wer hat Angst vor Beowulf?
in Gedanken eine Notiz, vor seiner nächsten Auslandsreise den Met des Zaubererkönigs unbedingt mit kaltem Tee zu verdünnen. Hinsichtlich der Karriere seines Chefs gewann er immer mehr das Gefühl, daß dieser für ein Ablösung reif war; obwohl es nicht klug wäre, aus diesem Gefühl eine fixe Idee werden zu lassen.
Der Zaubererkönig war zur Begrüßung von Thorgeir eigens nach unten in die Empfangshalle gekommen. »Wie war Japan?« fragte er.
»Leicht zu beeindrucken«, antwortete Thorgeir, »extrem leicht zu beeindrucken. Die Halbleiter hab ich doch noch alle gekriegt, und zwar während eines Birdies am letzten Loch, gerade noch rechtzeitig vor dem Eintreffen des Hubschraubers.«
»Sehr gut«, grunzte der Zaubererkönig. »Es gibt nämlich keine Veranlassung, aufgrund einer momentanen Krise gleich die Zügel schleifen zu lassen. Hast du unseren neuen Kollegen kennengelernt?«
»Ja«, antwortete Thorgeir. »Was ist bloß in dich gefahren, so etwas zu tun?«
»Weil ich es gerade zu diesem wichtigen Zeitpunkt für eine gute Idee hielt.«
»Dasselbe hast du schon mal über Kopernikus gesagt. Und du weißt ja, wohin das geführt hat.«
»Trotzdem wird er uns nützlich sein. Ich hab da nämlich eine Idee.«
Thorgeir kannte diesen Ausdruck in der Stimme des Zaubererkönigs. Manchmal kam etwas Gutes dabei raus, manchmal nicht. »Erzähl.«
»Es ist folgendes« – der Zaubererkönig griff nach der Metflasche und schenkte zwei Gläser ein –, »unser Problem ist ganz einfach, wenn man es in aller Ruhe betrachtet. Unser Feind ist zurückgekehrt.«
»Und woher weißt du das?«
Der Zaubererkönig erzählte ihm alles über die Datenübermittlungen der letzten Nacht. Thorgeir nickte ernst. »Also ist König Hrolf zurück und somit auch diese verflixte Spange. Uns bleibt die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten. Entweder wir machen uns sofort auf den Weg und suchen nach ihm, oder wir warten darauf, daß er zu uns kommt.«
»Und liegt für dich darin die Wahl?«
»Wir könnten darauf warten, daß er zu uns kommt.« Der Zaubererkönig lehnte sich im Sessel zurück und legte die Fingerkuppen aneinander. »Wenn er das versucht, wird er in gewisser Weise im Nachteil sein.«
»Nämlich?«
Der Zaubererkönig grinste. »Erstens hat er über tausend Jahre geschlafen, und seither hat sich einiges verändert. Zweitens hat er ohne ein dreijähriges Studium der Betriebswirtschaft und einen anschließenden Computerlehrgang keine Chance, auch nur ansatzweise darauf zu hoffen, sich in dieser modernen Welt so zurechtzufinden, daß er uns ernsthaft gefährden könnte. Immerhin reden wir über einen Mann, der schon Probleme damit hatte, nur mit den Fingern zu rechnen. Drittens ist er gerade mit Kleidungsstücken aus einem Grabhügel herausgekrochen, die vielleicht vor tausend Jahren der letzte Schick waren, heutzutage aber eine Spur zu auffällig sind. Wahrscheinlich wird man ihn festnehmen, erst recht wenn er über den Marktplatz von Inverness spaziert und seinen alten Anspruch auf den Thron einfordert. Viertens: Falls er es dennoch schaffen sollte und unerwartet mit gezücktem Schwert in der Rezeption aufkreuzt, stehen seine Chancen schon schlecht, nur bis zum Lift zu kommen. Äußerst schlecht. Ich weiß zwar nicht, ob du in letzter Zeit mal in der Kreditverwaltung vorbeigeschaut hast, aber wegen ihrer mathematischen Befähigung hab ich diese Schuldeneintreiber garantiert nicht eingestellt.«
»Na schön«, sagte Thorgeir geduldig. »Und nun?«
»Da er kein völliger Schwachkopf ist, wird er wahrscheinlich nicht zu uns kommen. Also werden wir zu ihm gehen. Aber zu wessen Bedingungen?«
Der Zaubererkönig beugte sich plötzlich vor, und seine strahlenden Augen schienen Thorgeir zu durchbohren. Seit tausend Jahren kannte der Sturmhund diese beängstigende Form der Unterhaltung. Zwar hatte er sich mittlerweile daran gewöhnt, aber trotzdem hingen ihm nach einem Jahrtausend der Zusammenarbeit mit dem Zaubererkönig dessen eher plumpe Angewohnheiten allmählich zum Hals raus.
»Vorzugsweise zu unseren Bedingungen«, antwortete Thorgeir gefaßt. »Aber erzähl weiter.«
»Seine größte Chance besteht darin, wieder die Drachenspange zu benutzen. Er klinkt sich in unser System ein, legt unsere Netzwerke lahm, und auf der ganzen Welt gehen die Lichter aus. Dann läßt er uns eine Nachricht zukommen – wie ich ihn kenne, wahrscheinlich durch eine Brieftaube –, die besagt, er erwarte mich am Strand von Melvich zum Rückkampf.
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