Wer hat Angst vor Beowulf?
wissen?« verteidigte sich der Fahrer. »Für mich sehen diese beschissenen Hügel alle gleich aus.«
»Wir müssen zur letzten Kreuzung zurückfahren, das ist alles«, fluchte der Mann im blauen Anorak. »Rolfsness liegt eindeutig in nördlicher Richtung.«
»Warum fahren wir nicht einfach nach Lairg zurück? Vielleicht hat dort noch ein Pub auf«, knurrte der Fahrer. »Für Filmaufnahmen ist es schon zu dunkel. Wir kriegen heute abend sowieso nichts mehr in den Kasten.«
»Ich will aber trotzdem so schnell wie möglich dorthin, um mit den Archäologen zu sprechen. Wir haben schon genug Zeit verloren. Vergessen Sie nicht, daß wir unseren Zeitplan einhalten müssen.«
»Wie Sie wollen, Danny. Aber da wir gerade angehalten haben, werd ich mal eben pissen gehen.«
»Aber beeilen Sie sich bitte, ja?«
Zum Entsetzen des Königs sprang der Fahrer aus dem Wagen und spazierte munter auf die Anhöhe zu, hinter der sich die Helden gerade versteckten. Er schloß die Augen und wartete. Kurz darauf hörte er einen markerschütternden Angstschrei, gefolgt von den Schlachtrufen seiner Leibgarde. Wie ein Kaninchen kam der Fahrer die Anhöhe heruntergehoppelt, Hjort, Angantyr und Bothvar Bjarki dicht auf den Fersen, gefolgt von den anderen Helden. Dann erst kam Hildy, die kreischend wie ein kleines Pony bei einer Treibjagd am Ende hinterhertrabte.
Der Chefkameramann, der sich gerade eine Bierdose öffnen wollte, tauchte sofort nach seiner Kamera und filmte durchs Seitenfenster alles mit. Sein Assistent duckte sich ebenfalls und suchte nach einem Belichtungsmesser, aber plötzlich stieß Danny Bennett die große Seitentür auf.
»Um Himmels willen, doch nicht jetzt!« brüllte der Kameramann. »Die holen den gerade ein!«
Aber Danny sprang aus dem Wagen und lief auf den Fahrer zu. Während er das tat, blieb einer der Verrückten in den grauen Anzügen stehen, legte einen Pfeil auf und spannte seinen Bogen.
»Blende acht«, zischte der Kameraassistent seinem Kollegen zu. »Wenn bloß genug Zeit wäre, den Polarisationsfilter aufzusetzen …«
Der König sprang auf, brüllte laut los, und der Bogenschütze hielt sich noch einmal zurück. Die Helden blieben stehen, während der Fahrer mit einem gewaltigen Satz in den Lieferwagen sprang, der gleich darauf mit quietschenden Reifen abfuhr, direkt gefolgt von dem zweiten Auto. Kurz darauf waren beide Wagen nicht mehr zu sehen. Die Helden steckten ihre Schwerter in die Scheide und stampften wieder die Anhöhe hinauf.
»Haben Sie eine Ahnung, wer das war, Hildy Frederikstochter?« fragte der König.
Hildy hatte die Kamera gesehen und antwortete mit nervöser Stimme: »Ja, und ich fürchte, wir kriegen allmählich Probleme.«
Nachdem sich das Fernsehteam vergewissert hatte, daß es nicht verfolgt wurde, hielten beide Wagen auf dem Seitenstreifen an, und alle begannen aufgeregt durcheinanderzureden. Nur Danny Bennett schwieg. Er hatte den Gesichtsausdruck eines Menschen, dem gerade der wiederauferstandene Christus erschienen war. Endlich bin ich während der Dreharbeiten zu einem Dokumentarfilm einmal angegriffen worden, sagte er sich. Das mußte eine Story ergeben, und zwar nicht nur eine, sondern die Story schlechthin. Wer waren bloß diese Männer in den grauen Anzügen? CIA? MI5? Irgendwelche Spezialagenten? Vielleicht sogar die Milchvermarktungsbehörde? Er wußte es nicht, aber über eins war er sich jetzt im klaren: Er stand kurz davor, den größten Dokumentarfilm aller Zeiten zu drehen. Schweiß rann ihm übers Gesicht, und vor seinen Augen tauchte der verlockende Anblick des BAFTA-Award auf, der höchsten Auszeichnung der britischen Film- und Fernsehakademie.
5. Kapitel
Kevin Fortescue, designierter Gouverneur von China, holte Thorgeir Sturmhund vom Hubschrauberlandeplatz in den Docklands ab und fuhr mit ihm anschließend zum Gerrards Garth House zurück. Während der Fahrt ließ er verlauten, daß er in das Geheimnis der Firmengeschichte eingeweiht worden sei, was Thorgeir sichtlich überraschte.
»Und warum?«
»Mister ehm … der Chef hat gesagt, in mir stecke eine ganze Menge Potential. Faktisch hat er mir China angeboten.«
»China?«
»Ich hab ihm versprochen, mich bis heute morgen zu entscheiden. Mittlerweile bin ich mir ziemlich sicher, ich werde es nehmen. Hinsichtlich meiner Karriere halte ich das für einen vernünftigen Schritt, zumal ich immer mehr den Eindruck gewinne, daß ich sonst in der Buchhaltung versaure.«
Thorgeir machte sich
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