Wer hat Angst vor Beowulf?
Lassen Sie uns mal nachsehen, ob an der Halle etwas verändert wurde.«
Der König ging Hildy in die Höhle voran. Die Helden hatten offensichtlich dieselbe Idee gehabt, denn eine kleine Tür war bereits geöffnet worden, aus der Stimmen drangen. Hildy folgte dem König in eine große Felsgrotte.
In der Mitte der kammerartigen Höhle befand sich ein langer Steintisch, auf dem gerade Starkad und Arvarodd standen und mit ihren Speeren an der Decke herumstocherten.
»Wir wollen nur das Fenster öffnen«, knurrte Arvarodd, »aber das verdammte Ding scheint zu klemmen.« Schließlich stieß er eine Steinklappe auf, und die Grotte füllte sich mit Licht.
Hildy sah sich erstaunt um. Die Wände waren mit reichverzierten Wandteppichen bedeckt, die zwar aussahen, als hätte man sie gerade erst geknüpft, aber eindeutig aus dem neunten Jahrhundert stammten. Der Tisch war mit Gold- und Silbertellern und Trinkhörnern gedeckt und bot etwa hundert Leuten Platz. Neben dem Tisch erstreckte sich fast über die gesamte Länge der Kammer eine Feuerstelle, und der Rest des Fußbodens war mit getrocknetem Heidekraut bedeckt, das unter Hildys Füßen raschelte. An einer Wand standen etliche große Kisten mit massiven Eisenschlössern. Alles schien perfekt erhalten zu sein, aber die Luft in der Kammer roch furchtbar muffig.
»Die Türen und Fenster sind luftdicht verschlossen«, klärte der König Hildy auf. »Zu meiner Zeit wußten wir schon eine ganze Menge über Baukunst.«
»Wo sind wir hier?« fragte Hildy.
»Das ist die Festung Borve, eine meiner beiden Burgen«, entgegnete der König mit stolzer Stimme. »Die andere ist in Tongue, dort hat es mir aber nie besonders gut gefallen. Diese hier ist praktisch uneinnehmbar, und der Ausblick ist auch viel schöner, wenn man das Meer mag. An klaren Tagen sieht man sogar Orkney.«
Die Helden hatten mittlerweile die Truhen geöffnet und stöberten darin nach längst verloren geglaubten Schätzen – ihren Lieblingskleidungsstücken und bequemen Schuhen. Jemand rollte ein Faß Met heran, das mit einem Haltbarkeitszauber versehen worden war, während Arvarodd, der an einem Ende der Feuerstelle bereits Holzkohle zum Glühen gebracht hatte, die restlichen Würste grillte, die Hildy bei Marks & Spencer in Inverness gekauft hatte. Die Helden hatten eine Vorliebe für Bratwürste entwickelt.
»Die Festung Borve wurde von Baumeister Thorkel für meinen Vater Ketil Trout errichtet«, fuhr der König fort. »Mein Vater war leider ein ziemlicher Geizhals, und da er mit jedermann Krieg führte, war er fast immer knapp bei Kasse. Als er damals Thorkel, den besten Baumeister seiner Zeit, mit dem Bau der Burg beauftragte, machte er ihm mehrere Auflagen. Wenn zum Beispiel bei der Übergabe irgend etwas zu bemängeln gewesen wäre, hätte Thorkel sein Leben verwirkt gehabt und seinen ganzen Besitz an den König übergeben müssen. Allerdings war das damals in der Baubranche ein ganz übliches Verfahren.«
Hildy, die mit Baumeistern ihrer Zeit ebenfalls schlechte Erfahrungen hatte sammeln müssen, nickte verständnisvoll.
»Das Problem war, daß es an der Burg nichts auszusetzen gab«, erzählte der König weiter. »Ketil sah sich mit der schrecklichen Aussicht konfrontiert, eine Festung bezahlen zu müssen, die er sich nicht leisten konnte. Unter dem Vorwand, gemeinsam das Vordertor zu inspizieren, überredete er den Baumeister, mit ihm auf einem Boot in die Bucht hinauszufahren. Währenddessen hängte meine Mutter ein Seil über den vorderen Schutzwall, was vom Meer aus wie ein Riß im Mauerwerk aussah. Ketil behauptete gegenüber Thorkel, dieser habe gepfuscht. Folglich blieb dem armen alten Thorkel nichts anderes übrig, als sich den Anker um die Beine zu binden und ins Wasser zu springen. Nebenbei bemerkt, wußten bis zu jenem Zeitpunkt nur er und mein Vater von dem geheimen Hintereingang, durch den wir hereingekommen sind. Danach hatte mein Vater merkwürdigerweise unglaubliche Probleme, jemanden für irgendwelche Ausbesserungsarbeiten zu finden, was vor allem im Winter höchst unangenehm war, wenn die Abflußrinnen leicht verstopften.«
Die Helden hatten bereits die Hälfte des verzauberten Mets ausgetrunken und sangen alte Lieder.
Der König runzelte die Stirn und sagte unwirsch: »Jedenfalls ist das hier die Festung Borve. Und jetzt lassen Sie uns wieder an die Arbeit gehen.«
Er klatschte in die Hände, und die Helden räumten sofort eine Stelle auf dem Tisch frei. Der Zauberer breitete
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