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Wer hat Angst vor Beowulf?

Wer hat Angst vor Beowulf?

Titel: Wer hat Angst vor Beowulf? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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reden verstehen.«
    Wie es sich für einen solch erlauchten Moment geziemte, herrschte absolutes Schweigen. Dann wurde das Schweigen fortgesetzt, und Hildy erkannte schnell die Ursache – es lag einfach daran, daß niemandem etwas Gescheites einfiel.
    »Also, nun macht schon!« ermunterte der König seine Männer. »Gerade eben wart ihr noch alle so verdammt geschwätzig. Jetzt laßt schon hören!«
    Bothvar Bjarki stand auf, und Hildy erinnerte sich plötzlich daran, daß er einst der Berater des berühmten Königs Kraki gewesen war und diesem unendlich viele Kriegslisten beigebracht hatte, die von ganzen Generationen nordischer Sänger überliefert worden waren.
    »Wir könnten zurückgehen und nach ihnen suchen«, schlug Bothvar Bjarki vor.
    »Ach, setz dich wieder hin und halt’s Maul!« schimpfte der König ungeduldig. »Hat jemand einen vernünftigen Vorschlag?«
    Bothvar setzte sich und murmelte irgendwelche Verwünschungen vor sich hin. Angantyr kicherte, und Bothvar warf ihm einen zornigen Blick zu. Hildy war völlig verwirrt und bemerkte zu ihrem eigenen Entsetzen, daß sie aufgestanden war und bereits das Wort ergriffen hatte.
    »Vielleicht kann der Zauberer die beiden finden«, stammelte sie. »Gab es nicht in Arvarodds Saga eine Stelle, wo ihm jemand einen Seherstein auf das rechte Auge legte?«
    »Hast du einen Seherstein, Kotkel?« fragte der König gebieterisch.
    Arvarodd, der Hildy gegenübersaß, schien leicht zu erröten. Er beugte sich über den Tisch und flüsterte: »Ehrlich gesagt, hab ich die Stelle selbst geschrieben. Ich wollte diese rein sachlichen und realistischen Schilderungen mit etwas mehr Mystik aufpäppeln. Wissen Sie, der gesamte dramatische Aufbau verlangte danach …«
    Hildy nickte unwillkürlich, wie sie es schon so oft auf Studentenfeten getan hatte.
    Der Zauberer leerte seine Taschen komplett aus, so daß sich kurz darauf ein ganzer Haufen mit unansehnlichem Krempel vor ihm auftürmte, aus dem er schließlich einen kleinen herzförmigen Bergkristall hervorkramte, der in der Mitte ein Loch hatte. Er hauchte ihn an, grummelte ein paar unverständliche Zaubersprüche vor sich hin und klemmte sich den blauen Kristall wie eine Optikerlinse in das rechte Auge.
    »Und jetzt?« fragte der König ungeduldig.
    Der Zauberer gab ein Geräusch wie ein Schleifstein von sich.
    »Empfangsstörungen«, flüsterte Arvarodd. »Seit es überall diese Privatsender gibt …«
    Aber der Zauberer schüttelte den Kopf und nahm den Stein heraus. Dann lehnte er sich seitlich vor und bot Hildy den Kristall an.
    »Machen Sie schon! Es tut nicht weh«, ermunterte der König sie.
    Hildy schloß den Mund wieder und griff nach dem Stein in der Hand des Zauberers. Er fühlte sich merkwürdig warm an, wie ein kurz zuvor verlassener Sitz in einem Zug, und Hildy faßte ihn nur zögernd an. Aber schließlich hielt sie ihn sich vors Auge und blinzelte hindurch. Zu ihrem Erstaunen und gleichzeitigen Entsetzen sah sie ein Bild, als würde sie heimlich durch das Schlüsselloch einer verschlossenen Tür spähen.
    Sie sah einen Turm aus grauem Stein und Glas, der ihr zunächst völlig fremd vorkam, dann aber erkannte sie ihn als ein Bürogebäude. Als sie den Kristall stärker gegen das Auge preßte, konnte sie sogar in eins der Fenster und durch eine dahinterliegende offene Bürotür blicken. In dem Büro befand sich ein Glaskasten, ähnlich einem Aquarium, und darin waren zwei Lichtflecke. Aus dem Glaskasten führten einige Kabel in die Rückseite einer quadratischen Kiste, die sie im ersten Augenblick nicht identifizieren konnte. Eine innere Eingebung sagte ihr plötzlich, daß es sich dabei um einen Computer handelte und irgendwer die beiden Geister dazu mißbrauchte, den Stromverbrauch zu senken.
    Sie glaubte, Stimmen zu hören, die allerdings sehr weit entfernt waren und aus dem Bild hinter dem Kristall zu ihr hervordrangen.
    »Und zwei für seinen Kopf, macht sieben, verdoppelt«, sagte die eine Stimme. »Rücke vor bis zur Walhalla, gehe nicht über Los, ziehe keine zweihundert Kronen ein.« Die andere Stimme kicherte.
    Das sind die beiden, dachte Hildy. Sie fühlte sich völlig erschöpft, als hätte sie mit den Augenmuskeln Gewichte gestemmt, und ihr Kopf schien zu platzen.
    »Ich gebe auf«, sagte die erste Stimme. »Mir hat dieses Spiel noch nie gefallen.«
    »Dann laß uns was anderes spielen«, schlug die zweite Stimme vor.
    »Ich will nicht mehr spielen«, wehrte die erste Stimme ab. »Ich will hier

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