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Wer hat Angst vor Beowulf?

Wer hat Angst vor Beowulf?

Titel: Wer hat Angst vor Beowulf? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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um sie herum wehte plötzlich ein starker Wind, und durch die Luft flogen merkwürdige Gebilde, die wie Fledermäuse oder kleine schwarze Vögel aussahen. Ein gewaltiger Blitz spaltete den Himmel, und Hagelkörner krachten gegen die Busfenster. Der Fahrer hielt sofort auf dem Seitenstreifen an und versteckte sich wimmernd unter dem Sitz.
    »Oje«, seufzte Angantyr, »sieht so aus, als würden wir den ganzen Spaß doch noch verpassen.«
     
    König Hrolf taumelte, stolperte, fiel und lag regungslos da. Sekundenlang konnte er nichts anderes tun, als dem Schlagen des eigenen Herzens und dem Heulen des Sturms zuzuhören. Dann nahm er das Schmettern der Hörner und die Schreie der Jäger wahr und zwang sich zum Aufstehen. Diese grausame Musik war einfach zu nahe. Er befahl seinen Knien, das Körpergewicht zu tragen, beugte sich vor und lief los.
    Schon vor einigen Stunden war irgend etwas schiefgegangen. Ein Mann, dessen Gesicht ihm bekannt vorgekommen war, hatte sich ihnen in einem kleinen schwarzen Auto genähert. Dann stieg der Mann aus und kam auf sie zu, so als wolle er sich ergeben. Arvarodd wurde dadurch abgelenkt, und Thorgeir gelang es, sich aus seinem Griff befreien. Bevor ihn jemand aufhalten konnte, hatte Thorgeir die Drähte von der Drachenspange abgerissen, und im selben Augenblick brach der Sturm los. Egal, wie tapfer und stark ein König auch sein mochte, gegen diese Blitze und Sturmböen, die ihn wie ein Hammer trafen, war selbst er machtlos. Er klammerte sich an sein Schwert wie an einen Rettungsanker und rannte davon, aber der Sturm verfolgte ihn überallhin.
    Das alles war schon einige Zeit her, und er rannte immer weiter. Er kam an Dörfern und Städten vorbei, die in der völligen Finsternis starr und ohne Leben waren, lief über offene Felder und durch Wälder, deren Bäume entwurzelt wurden, sobald er an ihnen vorbeikam. Blitze hatten ihm die Fersen verbrannt, und Hagelkörner peitschten und stachen ihn, während er lief. Manchmal wurde ihm der Weg von seltsamen Kreaturen versperrt, die erst menschliche und dann wieder tierische Gestalt annahmen; hin und wieder tat sich die Erde vor ihm auf oder entflammte unter seinen Füßen; bisweilen löste ein kochendheißer Regen den Hagel ab, der ihm Gesicht und Hände verbrühte, oder schwarzer Nebel füllte ihm die Lunge wie bleierner Schlamm. Durch alle diese Schrecken war er hindurchgelaufen, während seine Verfolger immer näher kamen; langsam zwar, vielleicht einen Meter pro Stunde, aber die ganze Zeit erkennbar näher. So muß sich der Stundenzeiger fühlen, wenn ihm der Minutenzeiger auf den Fersen ist.
    Er stolperte erneut und stürzte zu Boden. Diesmal verweigerten ihm die Knie den Gehorsam, und der Erdboden, auf dem er lag, erbebte vom Klang vieler Füße. König Hrolf hob den Kopf und wischte sich das Blut aus den Augen. Vor ihm war der Boden verschwunden. Er befand sich auf einem Plateau, das nach allen Seiten steil abfiel. Mit einem Mal erstarb der Wind, und es herrschte vollkommene Stille.
    König Hrolf rammte sein Schwert in den Boden und hangelte sich an ihm hoch. Er atmete tief ein und hielt die Luft an.
    »So.« Die Stimme kam von allen Seiten. »Hier muß es nun enden.«
    »Dieser Ort ist so gut wie jeder andere«, entgegnete der König gefaßt.
    Die Stimme lachte. »Das ist er in der Tat. War es das wert, Hrolf Erdenstern?«
    Der König zog das Schwert mit einem Ruck aus dem Torf und hielt es vor sich. »Das hängt davon ab, was dabei herauskommt!« rief er.
    Die Stimme lachte noch einmal, und die Erdoberfläche vibrierte wie ein Trommelfell. »Gut gesagt, Hrolf Ketilsson. Wenn du möchtest, lasse ich dich noch ein bißchen weiterlaufen.«
    »Zum Laufen bin ich langsam zu alt«, antwortete der König. »Ich hab lange genug gelebt.«
    »Zu lange.« Die Stimme lachte ein drittes Mal.
    »Ich möchte dich nur noch um einen Gefallen bitten«, sagte König Hrolf, wobei er den Kopf hob und lächelte. »Es ist nur eine Kleinigkeit, aber ich wüßte gern deinen Namen.«
    »Meinen Namen? Das ist allerdings keine Kleinigkeit. Aber da du gut gelaufen bist und weil nach deinem Tod niemand mehr geboren werden wird, der danach zu fragen wagt, werde ich ihn dir verraten. Hör genau zu, Hrolf Erdenstern.«
    König Hrolf senkte sein Schwert und stützte sich darauf. »Ich höre.«
    »Also gut«, sagte die Stimme. »Man nennt mich Vindsval und Vasad, Bestla und Beyla, Jalk und Jafnhar. In Finnmark heiße ich Geirrod, in Gotland Helblindi, in Markland

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