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Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Titel: Wer hat Angst vor Jasper Jones? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Silvey
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zu bereden gebe. Seine Mutter sei tot. Sie habe einen Autounfall gehabt.
    Und dann sagt Lionel sanft: «Ich weiß. Ich saß am Steuer.»

    Als ich wieder in meinem Zimmer bin, fühlt es sich an, als hätte ich es zum ersten Mal betreten. Nichts ist mir mehr vertraut. Nicht einmal meine Haut, meine Kleider oder mein Geruch. Alles fühlt sich anders an.
    Der Rückweg von Jack Lionels Haus war äußerst merkwürdig. Wir liefen schnell und zielstrebig. Überquerten das Oval und hielten uns vom Stadtzentrum fern. Die Luft war immer noch erfüllt von Stimmen und dem Pulsieren der Musik. Zum Glück lief mir Eliza nicht über den Weg. Womöglich wäre ich ihr in die Arme gesunken und hätte ihr alles erzählt. Jasper und ich sprachen kein Wort miteinander. Mein Kopf war eine leere Schachtel. Jasper schien tief in Gedanken zu sein, voller düsterer, zorniger Fragen. Wie konnte es auch anders sein? Seine ganze Welt war hochgehoben und ausgekippt worden wie eine Tüte Müll.
    Als er mich vor meiner Schlafveranda verließ, sagte er nur, dass er nach Hause gehe, um seinen Vater zu treffen. Der war an diesem Morgen von den Goldfeldern zurückgekehrt, aber nicht ohne zuvor das Geld auf den Kopf zu hauen, dass er dort verdient hatte. Ich bin froh, bei dieser Begegnung nicht dabei sein zu müssen.
    Ich schaue hinüber zu dem Papierstapel, den mein Vater wie einen riesigen dampfenden Scheißhaufen auf dem Schreibtisch hinterlassen hat. Mir ist das alles zu viel. Schon diese erste Nacht, als der ganze Schlamassel über mich hereingebrochen ist. Und seitdem ist alles nur noch schlimmer geworden. Es erschlägt mich. Ich will es wegschlafen. Ich will als jemand anderes aufwachen. Ich will mit Jasper Jones verschwinden.
    Wir waren losgezogen, um Mad Jack Lionel für den Mord an Laura Wishart zur Rede zu stellen, stattdessen haben wir erfahren, dass er den Wagen gefahren hat, in dem Jaspers Mutter gestorben ist. Irgendetwas stimmt nicht mit dieser Welt. Sie ist klein und tückisch und quillt über vor Traurigkeit. Es scheint, als sei unter jedem Stein und in jedem Schrank etwas Schreckliches verborgen, was ich nicht sehen will, als könne man es von jedem Baum herabschütteln. Ich weiß nicht. Vielleicht ist man deshalb in dieser Stadt so zufrieden damit, sich abzukapseln und alles schön ordentlich, glatt und fröhlich zu halten. Im Augenblick kann ich ihnen das wirklich nicht verübeln.

    Jasper hat sich nicht hingesetzt. Aber er hat Lionel auch kein blaues Auge verpasst, als ihm der alte Mann weitere zerschlissene Fotoalben voller Bilder und Geburtsurkunden vorlegte und ihm das ehemalige Zimmer seines Vaters zeigte, in dem seit Jahren nichts angerührt oder verändert wurde. Aus den Schubladen hingen noch Kleidungsstücke heraus, und in einer Ecke lehnten eine Gitarre und ein Cricketschläger aneinander. Auf einem Regal standen Footballtrophäen. Ich habe mir die Gravur angesehen:
David Lionel.
    Er habe nicht gewollt, dass Jasper zur Welt komme, erzählt Jack Lionel Jasper.
    Rosie Jones stammte aus einem benachbarten Bezirk. Sie und David waren sich auf einer Tanzveranstaltung außerhalb der Stadt begegnet. Sie trafen sich heimlich wieder, meistens unten am Corrigan River, wo sie allein sein konnten. Als sie schwanger wurde, kämpfte Jack Lionel mit aller Kraft dagegen an. Er verlangte von ihnen, die Sache aus der Welt zu schaffen. Es sei nicht richtig, David ziehe den Familiennamen in den Schmutz. Doch David setzte sich mit noch größerer Vehemenz zur Wehr. Er erklärte seinem Vater, dass sie sich liebten und das Kind behalten würden. Aufgebracht verbannte Jack Lionel seinen Sohn aus dem Haus. David suchte ein paar Habseligkeiten zusammen und ging nur zu gern. Seitdem standen in seinem Zimmer die Schubladen offen. Er und Rosie suchten sich in der Stadt eine Wohnung, und David sicherte sich einen Ausbildungsplatz in der Mine. Doch sie wurden ausgegrenzt. Selbst Davids Freunde wandten sich von ihm ab, nachdem sie ihm gehörig die Meinung gesagt hatten. Und schließlich wollte keiner mehr etwas mit ihm zu tun haben. Der einzige Ort, an dem er noch geduldet wurde, war der Footballclub.
    Sie heirateten, drei Monate bevor Jasper zur Welt kam. Nur die beiden, in einer kleinen Kirche der Stadt. David nutzte die Gelegenheit, um seinen Nachnamen in Jones zu ändern. Das habe ihn am meisten verletzt, erklärte Jack.
    Nach Jaspers Geburt nahm Rosie Kontakt zu ihm auf. Sie lud ihn Sonntag für Sonntag zum Essen ein, was er regelmäßig ablehnte.

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