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Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Titel: Wer hat Angst vor Jasper Jones? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Silvey
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zusammen. Eliza versuchte aus der Schusslinie zu bleiben, wie sie es immer tat, wenn die Stimmung im Keller war. Ihre Mutter erschien unverändert, von heiterer Ahnungslosigkeit. Aber ihr Vater war lauter und aggressiver, seine Hemmschwelle herabgesetzt. Er stank unentwegt nach Alkohol und Zigaretten. Und Laura, die sich in diesem Jahr so sehr von ihnen zurückgezogen hatte, die nichts mehr aß und nicht mehr mit ihrer kleinen Schwester redete und scherzte, wie sie es früher getan hatte, Laura war blasser und stiller als je zuvor. So als wäre sie gar nicht mehr da. Ein Geist in einem Spukhaus. Sie verließ ihr Zimmer nur, wenn es Aufgaben zu erledigen galt. Eliza nahm an, dass sie wegen Jasper unglücklich war, konnte sie aber nicht danach fragen, obwohl sie es gern getan hätte. Folgendesistpassiert: In jener Nacht hatte es einen großen Streit gegeben. In der Küche waren Worte gefallen, die Eliza nicht hören durfte. Also hatte man sie auf ihr Zimmer geschickt. Sie wollte ohnehin nichts hören. Mit der Katze im Schoß lag sie auf ihrem Bett und las. Sie lauschte Ella Fitzgerald und summte leise mit. Sie versuchte sich einen kleinen Raum zu schaffen, ein kleines Vakuum fern dieser Welt. Und dort blieb sie. Doch die Hülle war nicht dick genug. Sie war zu zerbrechlich. Denn später an diesem Abend gab es in Lauras Zimmer, das direkt neben Elizas lag, einen Streit, und Eliza bekam Angst. Beim Lauschen an der Wand erkannte sie Stimmen, auch wenn sie die Worte nicht verstehen konnte. Sie wusste, dass Laura und ihr Vater nebenan waren. Der Streit wurde heftiger. Eliza nahm Bewegungen wahr, hörte merkwürdiges Geschiebe und spitze Schreie. Geräusche, die Eliza als Gerangel zwischen zwei Menschen deutete. Doch dann begann Laura zu kreischen und zu brüllen, was jedoch bald in unterdrückte Laute überging, die Eliza Übelkeit verursachten. Daswarnochniepassiert. Sie hörte ein Krachen und ein Keuchen. Eliza konnte es durch die Bodendielen spüren. Etwas flog gegen ihre gemeinsame Wand und knallte auf den Boden. Dann schlug die Tür zu. So laut wie ein Gewehrschuss. Eliza schrak zusammen. Das ganze Haus wackelte, versteht ihr? Rund um die Lampenfassung an der Decke lösten sich Putzstücke und wurden von den rotierenden Blättern des Deckenventilators im Zimmer verteilt. Wie Konfetti. Wie Schnee. Schritte polterten. Dann folgte jähe Stille, die hereinflutete wie zurückströmendes Wasser. Eliza fragte sich, ob sie ihr Zimmer verlassen konnte. Befand aber, dass sie ohnehin nicht hinaus wollte. Sie hatte Angst. Wo war ihre Mutter? Wo war sie in diesem ganzen Tumult? Eliza hörte den Wagen aufröhren, schob die Vorhänge auseinander und sah ihren Vater in gefährlichen Schlangenlinien aus der Auffahrt auf die Straße einbiegen. Dann hörte sie Laura hinter der Wand, die sie trennte, weinen. Trotzdem verließ sie ihr kleines Vakuum nicht. Sie blieb in Sicherheit und rührte sich nicht, obwohl sie rastlos und durcheinander war. Sie ging davon aus, dass Laura sie wütend wegschicken würde. Eine Weile war alles ruhig im Haus. Als in der Nachbarschaft die Lichter erloschen und die Leute zu Bett gegangen waren, hörte Eliza das vertraute Schaben von Lauras Fenster. Weiter, weiter, stopp. Sie glitt vom Bett und drückte das Gesicht an die Scheibe. Laura war im Begriff, das Haus zu verlassen; sie hievte sich aus dem Fenster, doch Eliza konnte Jasper nirgends erblicken. Laura war im Nachthemd. Sie hatte es eilig, und sie war allein. Allerdings war sie barfuß; sehr weit schien sie also nicht fortgehen zu wollen. Bis zum Ende der Straße vielleicht. Dennoch stimmte irgendetwas nicht. Vielleicht schlafwandelte sie. Wurde von etwas hinter ihren Augenlidern angetrieben. Eliza war besorgt. Es war die Sorge, die sie in die heiße Nacht hinaustrieb und ihrer Schwester in sicherem Abstand folgen ließ. Es war verboten und aufregend. Sie war noch nie so spät allein unterwegs gewesen. Ihr Körper vibrierte, und ihr Herz raste. Die Dinge rochen anders, fühlten sich anders an. Die Bäume nahmen zackige Konturen an. Alles wirkte düster und bedrohlich. Eliza nahm an, dass Laura sich irgendwo mit Jasper treffen würde. Doch was war gerade in ihrem Zimmer geschehen? Was war das für ein Tumult gewesen? Warum hatte sie geschrien? Worum war es bei dem Streit gegangen? Hatte der Vater sie geschlagen? War es das, was Eliza durch die Wand gehört hatte? Warum war Laura so schnell und so wütend aufgebrochen? Es war schrecklich zugegangen in

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