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Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Titel: Wer hat Angst vor Jasper Jones? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Silvey
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du?»
    Er schnappt sich die Zigarette und zündet sie selber an, ehe er sie mir zurückgibt.
    Ich war darauf eingestellt, husten zu müssen. Aber nicht so. Schon der erste Zug wringt mir die Lunge aus wie einen Waschlappen. Ich würge und spucke und versuche vergeblich, mich zusammenzureißen.
    «Das liegt … am Asthma. Es ist so … schwül. Sonst bin ich …» Ich schiele auf die Zigarette in meiner Hand, als hätte sie gerade etwas gesagt, um mich aus dem Konzept zu bringen. Ich klopfe unnötigerweise die Asche ab, verbrenne mir dabei den Zeigefinger und lasse die Zigarette fallen. Natürlich ist mein erster Impuls, sie aufzufangen, was mir zu meiner eigenen Überraschung auch gelingt, nur dass ich mir dabei auch noch die linke Handfläche verbrenne. Ich hasse diese Zigarette. Und jetzt muss ich sie aufrauchen.
    Ich zupfe am weichen Gras zwischen meinen Beinen. Es fühlt sich an, als hätten wir einen Sturm durchgestanden und hockten nun zwischen den Trümmern. Wir sitzen lange unter dieser Decke des Schweigens.
    Jasper nippt immer wieder an seiner Flasche. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Es ist so unnatürlich still, dass ich das Papier knistern höre, wenn er an seiner Zigarette zieht. Und das leise Schmatzen seiner Lippen. Ich selbst lasse die Zigarette diskret zwischen meinen Fingern abbrennen.
    «Es kommt mir vor, als würde ich das alles nur träumen», sage ich.
    Jasper hebt die Augenbrauen. «Ja, das kenn ich. Diese Nacht, diese ganze verrückte Nacht. Verdammte Scheiße, wenn es doch bloß ein Traum wäre, Charlie. Es ist unbeschreiblich. Mir ist, als hätten sie mir ein Stück aus dem Leib gerissen.»
    Er drückt seine Zigarette aus und steckt den Stummel in die Tasche. Ich nutze die Gelegenheit, um das Gleiche zu tun. Er zündet sich die nächste an und fährt fort.
    «Laura war der einzige Mensch, bei dem ich je das Gefühl gehabt hab, dass ich ihn
kenne
. Dem ich nicht mal Fragen stellen musste. Ich hab mich einfach wohl gefühlt. Sie war alles gleichzeitig, weißt du: mein Mädchen, meine Mutter und meine Familie. Mit ihr war immer alles ganz einfach. Manchmal hatte sie so ’ne Stimmung, da saß sie einfach nur still da und hat kein Wort gesagt, aber irgendwie hab ich das verstanden. Außerdem bin ich auch manchmal so. Aber meistens war sie richtig witzig. Und gescheit, Charlie. Wie ich gesagt hab.»
    Jasper kämpft die Flasche nieder. Sie ist bereits halb leer. Ich runzle die Stirn. Ich habe Angst, dass wir nicht aus dem Busch herauskommen, wenn er zu viel intus hat.
    Jasper liest meine Gedanken.
    «Schon gut, Charlie. Ich kann einiges vertragen. Nicht wie mein alter Herr. Dabei ist er ein Weißer. Willst du was? Hier, nimm.»
    Zögernd greife ich nach der kalten, nassen Flasche, mehr um Jasper auszubremsen, als um meine eigenen Gelüste zu befriedigen. Ich schnüffle am Flaschenhals und schrecke zurück.
    «Was ist das?»
    «Bushmills. Schmeckt wie Pisse und Öl.»
    Ich nehme einen kleinen Schluck von dem Brandbeschleuniger, der mir natürlich den Mund verätzt und die ganze Speiseröhre verbrennt. Ich muss auf der Stelle würgen, wische mir den Mund ab und versuche, meine Lunge in Schach zu halten. Ich lege den Kopf schief und tue, als würde ich mit meinen tränenverschleierten Augen ein Etikett lesen, das gar nicht da ist. Das Zeug ist das reinste Gift.
    Mir wird klar, dass mich beide Laster, von denen mir die Literatur versprochen hat, dass sie mich begeistern würden, verraten haben. In Kerouacs Roman
Unterwegs
preist Sal Paradise seine Schnapsflaschen an, als wäre er eine Hausfrau in einer Waschmittelwerbung. Holden Caulfield greift im
Fänger im Roggen
nach seinen Zigaretten, als hinge sein Seelenheil davon ab. Und selbst Huckleberry Finn schmaucht entspannt und zufrieden seine Pfeife. Man kann sich auf nichts verlassen. Wenn es mir mit Sex genauso schlecht ergeht, fasse ich nie wieder ein Buch an. Wenn das so weiterläuft, verbrenne ich mir dabei wahrscheinlich den Schwanz und trage schwere Verletzungen davon.
    Ich schaue auf meine Sandalen und versuche meine Abscheu zu überspielen.
    «Scheiße, Mann. Normalerweise trinke ich … was ist das … Single … Malt?»
    «Keine Ahnung, Kumpel. Hatte keine Zeit, das Etikett zu lesen. In der Not frisst der Teufel Fliegen. Man muss nehmen, was man kriegen kann, Charlie.»
    «Du meinst, du hast sie
gestohlen
?», frage ich und lege die Flasche in seine ausgestreckte Hand.
    «
Bezahlt
hab ich sie jedenfalls nicht. Hab sie meinem alten

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