Wer hat Angst vor Jasper Jones?
gepackt. Sie rutscht abermals weg. Ich torkle seitwärts. Wir bringen sie zum Wasser, das nur wenige Meter entfernt ist. Jetzt sind wir am Ufer, an dem das Wasser selbst im Sommer hoch steht. Es ist ein breiter, spiegelglatter Tümpel.
Leise sagt Jasper: «Bei drei Charlie, ja?»
Dann schwingen wir sie hin und her, als würden wir einen unschuldigen Streich spielen und unsere Freundin zum Spaß in den Fluss werfen.
Eins. Zwei. Drei.
Ich bin nicht stark genug, um sie zu werfen. Daher reißt mir der Stein, den Jasper in weitem Bogen davonschleudert, ihren Körper förmlich aus den kraftlosen Händen. Es ist ein satter, lauter Aufschlag. Platsch! Und ich hätte fast nicht losgelassen. Wäre ihr fast gefolgt. Mit einem groben, ekelhaften Ruck wird sie mir entrissen, doch Jasper Jones hält mich an der Schulter fest. Wir schauen zu. Einen Moment lang treibt sie auf dem Wasser. Dann sehen wir sie hinabsinken. Stillos und ohne jede Grazie. Ihr Nachthemd – ein aufgeblähter Ballon. Und wir, die Bestatter, sehen sie weggleiten. Wir können sie nicht retten. Die Wellen greifen nach unseren Füßen. Dann ist sie fort. Sie ist wirklich fort.
Wir haben sie ertränkt.
Wir sind Monster.
Ich stehe regungslos da, lasse die Arme hängen und betrachte das letzte Pulsieren des Wassers, das letzte Kräuseln der Wellen. Ich schaue zu, bis es zum Stillstand kommt. Eine Zeitlang bin ich wie gebannt von der klaren dunklen Oberfläche, als wäre sie aus Glas. Merkwürdig, sich vorzustellen, dass Laura Wishart heute Nachmittag ahnungslos und sorgenfrei durch Corrigan hätte spazieren können, mit ihren Freundinnen, ihrer Schwester. Stattdessen ist sie am Grund dieses dunklen Teichs verankert, mit eben jenem Seil, mit dem sie gelyncht wurde. Laura Wishart wurde von der Erde verschluckt, um nie zurückzukehren. Und ich habe sie auf den Weg gebracht.
Ich habe Angst, vornüberzukippen und Laura zu folgen, fühle mich sogar ein wenig zum Wasser hingezogen.
Bis ich Jasper Jones höre. Er steht nicht länger neben mir. Abrupt wende ich mich um. Er hat mir den Rücken zugewandt und stützt sich mit einer Hand am Baumstamm ab. Mir bleibt der Mund offen stehen, als ich sehe, wie seine Schultern beben und ich seinen zitternden Atem höre.
Ich spüre ein Beißen im Hals. Ich sollte hinübergehen und irgendetwas Kluges, Aufmunterndes sagen. Ihm tief in die Augen schauen. Aber das tue ich nicht. Ich sehe einfach nur zu. Er hat die andere Hand vor dem Gesicht. Das hier ist echt. Seine Knie sind gebeugt und seine Muskeln angespannt. Meine Mundwinkel sacken herab.
Ich lasse mich zu Boden sinken und weine mit dem Kopf zwischen den Knien. Ganz leise und beherrscht. Ich reiße mir die Brille herunter und fahre mir mit dem Handgelenk über die Augen. Ich verstehe nicht, was gerade passiert ist. Ich muss scheißen. Baden. Schlafen. Diese Nacht hat mir kostbare Dinge gestohlen, die ich nie zurückbekommen kann. Ich fühle mich beraubt, aber nicht von Jasper Jones. Es ist eine merkwürdige Leere – wie bei einem Umzug in ein neues Haus, in dem es keine Möbel und keine vertrauten Wände gibt –, die gleiche merkwürdige Mischung aus Verlassenheit und Aufruhr. Ein einsames Gefühl.
Ich kneife die Augen zusammen. Ich will nicht schniefen, sonst merkt Jasper Jones, dass ich auch geweint habe, also halte ich mir die Nase zu und ziehe sie hoch.
Als ich aufschaue und mir die Brille wieder auf die Nase schiebe, sehe ich, dass Jasper jetzt sitzt, den Rücken an den geschwungenen Stumpf des Baums gelehnt. Er sieht erschöpft aus und hat eine Flasche im Schoß. Sie ist voll und ohne ein Etikett. Seine Augen sind glasig. Er hebt den Kopf und lässt ihn langsam von einer Seite zur anderen rollen.
Er nimmt einen hastigen Schluck. Mit gesenktem Kopf hält er die Flasche in meine Richtung. Ich bin schwer in Versuchung, aber ich schüttele den Kopf und hebe abwehrend die Hand.
Jasper streicht sich grob über das Gesicht und zerrt an der Haut unter seinem Kinn. Er steckt sich eine Zigarette an und legt die Arme auf die Knie.
«Gibst du mir eine?», frage ich.
Jasper lächelt. Er holt eine Zigarette aus der Packung und zieht sie gerade. Ich klemme sie mir fest zwischen die Lippen, während er mir Feuer gibt. Zögernd neige ich mich zur Flamme vor, als wollte ich einem Pferd den Arsch küssen, während ich darauf warte, dass es austritt.
«Halt, halt», unterbricht mich Jasper, immer noch lächelnd. «Das andere Ende, Charlie. Das da ist der Filter, siehst
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