Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Titel: Wer hat Angst vor Jasper Jones? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Silvey
Vom Netzwerk:
Familie gründen kann jeder. Aber das hat nichts mit Erwachsenwerden zu tun. Es geht darum, was du tust, wenn irgendwas Schlimmes passiert, darum, was du um dich herum wahrnimmst. Das macht einen zum Mann. Und wenn ich hier in diesem Kaff über die Runden kommen kann, dann schaff ich das überall, schätze ich. Was hab ich hier schon? Es gibt keinen Grund hierzubleiben. Für mich ist das eine Sackgasse.»
    «Ich fange an, das genauso zu sehen», sage ich und werfe einen Zweig ins Wasser.
    «Dann verstehst du es also. Mach dir keine Gedanken um mich, Kumpel. Ich kann schon auf mich aufpassen.»
    «Ja, klar», sage ich. «Scheiße, ja. Das weiß ich.»
    Jasper zündet wieder eine Zigarette an.
    «In nächster Zeit wird es sowieso nichts, denke ich. Nicht bis wir genug gegen Mad Jack Lionel in der Hand haben.»
    «Dann weißt du also genau, dass er es war?»
    «Ganz sicher. Bestimmt, Charlie.»
    «Und woher weißt du das?» Neugierig beuge ich mich vor.
    «Das will ich dir ja gerade erzählen. Ich bin nämlich diese Woche jede Nacht an seinem Haus vorbeigegangen.»
    «Auf dem Weg hierher?», frage ich.
    «Genau.»
    «Aber ist das nicht gefährlich? Hierherzukommen, während sie noch suchen?»
    «Nö, eigentlich nicht. Ich komme ja nur spätnachts her. Und den Polizeistreifen zu entgehen ist kinderleicht. Kein Problem.»
    «Sicher.»
    «Sicher. Also, ich hab dir ja erzählt, dass Lionel immer, wenn ich an seinem Haus vorbeigegangen bin – und zwar jedes einzelne Mal –, aus der Tür kam und zu mir rübergebrüllt hat. Er hat gewinkt und meinen Namen gerufen. Das nehme ich jedenfalls an. Was er genau gerufen hat, hab ich nie verstanden, das Haus ist zu weit weg, um es richtig zu hören.»
    «Klar.» Ich nicke.
    «Na ja, es war genau wie letzte Woche, als wir hergekommen sind und beim Tor gewartet haben, weißt du noch? Nichts. Kein Wort. Er ist nicht einmal rausgekommen. Vielleicht hat er sich aus dem Staub gemacht, wer weiß? Jedenfalls ist nichts von ihm zu sehen. Dabei war ich jede Nacht dort und hab gewartet.»
    «Aber worauf? Was hast du vor?»
    «Reingehen. Mit ihm reden. Es ist schließlich kein Hausfriedensbruch, wenn er jedes Mal vor der Tür steht und meinen Namen durch die Gegend brüllt.» Jasper deutet mir, ihm den Whiskey zu geben.
    «Aber du würdest doch nicht wirklich reingehen!»
    «Klar würde ich. Warum denn nicht?» Jasper runzelt die Stirn.
    «Bist du wahnsinnig? Das ist Jack
Lionel
! Du weißt doch gar nicht, was passieren kann!»
    «Tja, es gibt nur eine Möglichkeit, das rauszufinden, Charlie. Was ist denn das Schlimmste, was passieren kann?» Jasper nuckelt an der Flasche.
    «Was meinst du damit? Keine Ahnung:
eine Kugel im Kopf?
»
    «Kann sein. Aber irgendwie muss ich an ihn rankommen, nicht? Ich muss mit ihm reden.»
    «Aber vielleicht ist es reiner Zufall, dass er plötzlich nicht mehr da steht. Es kann gut sein, dass er mit all dem überhaupt nichts zu tun hat.»
    Jasper nickt.
    «Kann sein, da hast du recht. Aber ich glaub es nicht. Ich hab da so ein Gefühl, Charlie. Es ist schwer zu erklären. Irgendwas verbindet ihn mit der Sache. Das weiß ich. Ich muss einfach mit ihm reden. Überleg doch mal: Er kommt seit Jahren vor die Tür und ruft meinen Namen. Ich muss rausfinden, warum. Laura hat er auch gesehen. Und mich mit ihr. Aber seit neulich Nacht ist er kein einziges Mal mehr aufgetaucht. Das allein ist es schon wert, der Sache nachzugehen, ganz zu schweigen von dem, was wir über Mad Jack Lionel wissen. Dass er schon mal getötet hat.»
    Jasper schnieft und bläst den Rauch seitlich aus dem Mund. Ich mache mir an den Schnallen meiner Sandalen zu schaffen.
    «Was wissen wir denn schon darüber?», werfe ich ein.
    «Wir wissen, dass es eine Tatsache ist.»
    «Ist das wirklich so? Wen hat er denn umgebracht? Und wie? Ich meine, wurde er je dafür verurteilt?»
    «So gut wie.»
    «Was soll das schon wieder heißen?»
    «Das heißt, dass er, nach allem, was ich von meinem alten Herrn erfahren hab, von Glück sagen kann, dass man ihn nicht aufgeknüpft hat. Mein Alter hat ihn nur einmal erwähnt. Aber ich hab ihn noch nie so aus dem Häuschen erlebt, in nüchternem Zustand. Er ist richtig ausgerastet und hat gemeint, sie hätten ihn hinter Schloss und Riegel bringen müssen für das, was er getan hat. Er wär keinen Schuss Pulver wert und die Hölle wäre noch zu gut für ihn.»
    «Himmel», sage ich. «Möchte wissen, was wirklich passiert ist.»
    «Ich auch, Charlie. Und ich hab vor,

Weitere Kostenlose Bücher