Wer hat Angst vorm bösen Mann?
alle Mittel bis hin zur körperlichen Gewalt an. Will sich eine Frau trennen, reagieren sie mit sizilianischer Eifersucht, Drohungen und Stalking.
Wie auch bei der Borderline-Störung ist ein ausgeprägter Narzissmus ein herausragendes Symptom. Mit Sylvester Stallone («Rambo») als Vorbild lassen antisoziale Persönlichkeiten ihren durchgestylten, mit vielfarbigen Tattoos verzierten Body aus knappen Leibchen hervorquellen. Sie schmücken sich mit allerlei Tand wie Lederbändern, Goldkettchen oder multiplen Nasenringen. Mit martialischen Barttrachten und polierten Glatzen versuchen sie furchterregend zu wirken. Sie entsprechen aber nicht immer dem Habitus des Gewichte stemmenden, schmierigen, unnatürlich braun gebrannten, tätowierten Türsteher-Primaten. Es gibt auch das Gentleman-Modell mit randloser Brille und Savile-Row-Anzug, bei dem nur Beobachter mit ausgezeichneten Menschenkenntnissen die gut kaschierte Gewaltbereitschaft wahrnehmen können.
Mafiosi im Maßanzug, achtlos gekleidete Internetbetrüger, aalglatte Heiratsschwindler, rabiate Vergewaltiger, überzeugende Schneeballsystem-Finanzberater, durchtriebene Winkeladvokaten, abgebrühte Berufspokerspieler und auf Tötungsmaschine gedrillte Söldner – das Erscheinungsbild der antisozialen Persönlichkeiten ist überaus variabel und schillernd.
Es gibt auch zahlreiche Gemeinsamkeiten mit der Borderline-Störung: die Impulsivität, die Neigung zu Alkohol- und Drogenabhängigkeit, der Mangel an Selbstkritik, die hohe Risikobereitschaft sowie die unsteten sexuellen Beziehungen. Antisoziale Menschen haben aber nicht das Selbstzerstörerische der Borderline-Frauen. Obwohl ihr Leben oft frustrierend verläuft, scheinen sie nicht so unzufrieden, depressiv und suizidal zu sein wie die Borderliner; und sie verletzen sich deutlich seltener selbst. Wenn sie Drogen nehmen, tasten sie sich nicht gefährlich nahe an die tödliche Dosis heran. Sie bekommen ihre Kicks hauptsächlich durch ihr Lieblingsspiel: Macht auf andere ausüben. Ihre zerstörerische Kraft richtet sich gegen Mitmenschen, nicht gegen sich selbst.
Der Lebensentwurf von antisozialen Persönlichkeiten geht meist nicht auf. Wenn sie sich auch in grandiosen Phantasien ein Leben in Reichtum ausmalen, enden sie meist am unteren Ende der sozialen Hierarchie, als Sozialhilfeempfänger, als langjährige Insassen in Hochsicherheitstrakten oder im Kugelhagel der Polizei. Manche allerdings sind im späteren Leben erfolgreich und werden etwa als mutige Börsenspekulanten gefeiert, wenn sie ein Vermögen angehäuft haben. Dann waschen sie ihr Geld und spenden großzügig für die Armen.
Und manche werden Politiker.
Erstaunlich oft ist aber eine künstlerische Begabung bei den antisozialen Persönlichkeiten. Wie der Knastdichter Jack Unterweger schreiben sie nicht selten packende Berichte über ihr bewegtes Leben. Manche profilieren sich als Metal-Band-Sänger oder spielen sich in einem TV -Krimi selbst. Andere pflegen in Talkshows das Image des geläuterten ehemaligen Bankräubers, der zerknirscht Reue zeigt, sich in Wirklichkeit jedoch in der Mischung aus wohligem Entsetzen und Bewunderung aalt, die er bei seinen unbedarften Zuschauern auslöst.
Bei Männern ist die antisoziale Persönlichkeitsstörung deutlich häufiger als bei Frauen. Das mag daran liegen, dass die Definition von «antisozial» an begangene Straftaten gebunden ist. Da zehnmal mehr Verbrechen von Männern begangen werden als von Frauen, ist dieses Verhältnis nicht überraschend.
Die fatale Entwicklung der Betroffenen beginnt meist in frühen Jahren mit unsozialem Verhalten oder Delinquenz. Die späteren Kriminellen wurden bereits in der Kindheit und Jugend durch Aggressivität gegenüber Mitschülern, Diebstähle, Brandstiftung oder grausame Tierquälerei auffällig. Bettnässen im Alter von zehn, elf Jahren ist ein bisher noch unerklärtes, aber typisches Symptom. Schon früh kann es zur sexuellen Belästigung von Mädchen kommen.
Es besteht eine Verbindung zu der Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätsstörung ( ADHS ) bei Kindern, die unter dem Namen «Zappelphilipp-Syndrom» bekannt ist und mit Impulsivität, Überaktivität und Verletzung sozialer Regeln einhergeht. Erwachsene mit einer antisozialen Persönlichkeitsstörung haben häufig als Kinder eine ADHS gehabt, wobei auch ein Erbfaktor eine Rolle spielt. [17]
«Antisozial» und «psychopathisch» werden als Begriffe gelegentlich synonym verwendet, sie sind aber nicht identisch.
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