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Wer hat Angst vorm bösen Mann?

Wer hat Angst vorm bösen Mann?

Titel: Wer hat Angst vorm bösen Mann? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Borwin Bandelow
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wollen.
    Doch wie entwickelt sich jemand zu einem psychopathischen Sadisten wie Cameron Hooker? Er stammte aus einer normalen Familie ohne Scheidungskrieg; er wurde als Kind nicht misshandelt. Psychologen haben es schwer, seine Taten mit einer traumatisierten Kindheit zu erklären.
     
    Hooker wurde zu einer Strafe von insgesamt 104  Jahren Gefängnis verurteilt; wahrscheinlich kommt er aber 2023 frei. Grund für die Verurteilung waren seine Sexualstraftaten, nicht die Martern, die er Colleen zugefügt hatte. Nach dem damaligen kalifornischen Gesetz war es nicht verboten, jemanden in eine Kiste einzusperren, in einer Badewanne bis kurz vor dem Ertrinken unterzutauchen, zu kreuzigen, auf einer Streckbank zu foltern oder mit elektrischem Strom zu schocken.
    Janice blieb als Kronzeugin straffrei.

Schneewittchen im Sarg
    Ein tiefes Gefühl von Ehrfurcht erfasst mich, als plötzlich mein Skype-Telefon klingelt. Ich hatte mich mit Colleen Stan zu einem Video-Telefonat verabredet. Im nächsten Moment sehe ich sie auf dem Bildschirm, sie lebt heute in South Lake Tahoe, einer Stadt im US -Bundesstaat Kalifornien. Colleen hat ein freundliches Gesicht, sie lächelt. Mit den Jahren ist sie etwas füllig geworden. Sie wirkt humorvoll, und sie macht nicht den Eindruck einer gebrochenen Frau, obwohl es das Schicksal alles andere als gut mit ihr meinte. Colleen Stan hatte auch nach ihrer Flucht aus den Fängen des sadistischen Folterers wenig Glück in ihrem Leben, wie ich noch erfahren werde. Ohne zu zögern, berichtet sie von ihrer Zeit zwischen 1977 und 1984 , als sie gekidnapt war und Cameron Hooker als Sexsklavin diente. Wir führen das Gespräch auf Englisch.
    «Das Schlimmste war die Folter auf der Streckbank», sagt sie. «Und wenn er mich würgte, kurz bevor ich bewusstlos wurde. Aber es war mein Glauben, der mir geholfen hat, das durchzustehen. Der Herr hat mich gerettet. Das Beste ist, während der Qualen in Gedanken an einen angenehmen Ort zu gehen, zurück zu schönen Erinnerungen. Oder sich der Menschen zu entsinnen, die einem etwas bedeuten. Dieses Vorgehen haben mir auch ehemalige Kriegsgefangene bestätigt, die in einer ähnlichen Lage waren.
    Eine Sache aber hatte ich schnell gelernt: Ich habe nie geweint oder geklagt. Wenn er mich zum Beispiel an den Handgelenken aufgehängt hatte und ich mit den Beinen strampelte und schrie, peitschte er mich umso heftiger und drohte mir damit, meine Stimmbänder zu durchschneiden. Wenn ich dagegen ruhig blieb und keinen Laut von mir gab, wurde es ihm nach einer gewissen Zeit langweilig. Aber ausgerechnet das wollte er später vor Gericht gegen mich verwenden: ‹Colleen hat nie geweint, es hat ihr Spaß gemacht›, behauptete er. In einem unserer sehr seltenen persönlichen Gespräche sagte er, dass er im Alter von sechs Jahren bereits Phantasien von Frauen in Fesseln hatte.
    Es gab Momente, in denen ich ihm richtig dankbar war – wenn er mich aus der Kiste holte und mir etwas zu essen gab. Ich war immer hungrig. Manchmal bekam ich in einer Woche vielleicht insgesamt fünfmal etwas zu essen. Ich war entsetzt, als er mich einmal aus der Kiste holte und ich mich in dem Spiegel über seinem Bett sehen konnte. Ich sah aus wie eine Anorexie-Patientin. Ich hatte schlechte Zähne, und meine Haare fielen büschelweise aus. Ich kann bis heute keinen Reis mehr essen, weil er mich lange ausschließlich mit Reis und Hafergrütze gefüttert hatte.»
    Ich frage Colleen, ob sie damals Dinge getan hat, die sie heute nicht versteht. In diesem Interview will ich mehr über das Stockholm-Syndrom erfahren.
    Sie entgegnet aber sofort: «Die Bezeichnung ‹Stockholm-Syndrom› trifft nicht auf mich zu, falls Sie das meinen. Bei diesem Phänomen handelt es sich doch um Leute, die eine tiefe Bewunderung für ihre Geiselnehmer empfanden. Ich würde es bei mir eher ‹Überlebenssyndrom› oder ‹erlernte Hilflosigkeit› nennen. Viele Menschen haben mein Verhalten nicht verstanden. Ja, ich habe ihm gesagt, dass ich ihn liebe, und ich habe diese Liebesbriefe geschrieben, weil er es verlangt hatte. Aber tief in mir habe ich diese Liebe nicht gefühlt. Er hatte mir die Geschichte von der Company erzählt, und ich hatte entsetzliche Angst, dass er mich diesem Sklavenhalterring ausliefern würde. Nachdem er mir einen gedruckten ‹Sklavenvertrag› vorlegte, den ich unterschreiben musste, hatte ich keine Zweifel mehr, dass seine Geschichte stimmte. Ich habe immer versucht, eine gute Sklavin zu sein. Die

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