Wer hat Angst vorm starken Mann? - Mallery, S: Wer hat Angst vorm starken Mann?
erweisen wollte. Mir gefiel es hier, also bin ich geblieben.“
Pia hatte nicht gedacht, dass es noch mehr Überraschungen geben könnte, aber da hatte sie sich gründlich getäuscht.
Raoul hockte sich vor sie. „Ich wollte mit Crystal reden, wusste aber nicht, was ich sagen sollte. Ich hatte ihren Mann ja nur zwei Wochen gekannt, und ich war dabei, als er starb. Hätte sie das getröstet?“
Weil Pia seine Verletzlichkeit spürte, berührte sie sanft seine Schulter. „Der Mann, den sie geliebt hat, war gestorben. Ich glaube nicht, dass irgendetwas sie getröstet hätte.“
„Ich habe mich gefragt, ob ich es mir zu leicht gemacht habe. Ich wollte mich nicht aufdrängen oder in irgendetwas hineingezogen werden.“ Er lächelte schwach. „Jetzt sind Sie verantwortlich für Keith’ und Crystals Babys.“
„Erinnern Sie mich nicht daran.“
Er kehrte zu seinem Stuhl zurück und schaute sie an. „Geht’s Ihnen wieder besser?“
„Ich versuche, mich gerade von dem neuesten Bombeneinschlag zu erholen.“ Erschrocken zuckte sie zusammen. „Entschuldigung. Das war eine schlechte Wortwahl. Zu hören, dass Sie Keith kannten, dass Sie da waren, als er gestorben ist, kommt mir wie ein Wink des Schicksals vor. So als würde jemand sicherstellen wollen, dass ich diese Babys bekomme.“
„Lesen Sie da nicht ein bisschen zu viel hinein?“
„Tue ich das? Finden Sie es nicht ein wenig seltsam, dass wir diese Unterhaltung überhaupt führen?“
„Nein, ich bin hierhergezogen, weil ich Keith kennengelernt hatte. Wenn er mir nicht zugeteilt worden wäre, hätte ich nie die Zusage zu dem Golfturnier gegeben, und dann wäre ich nicht hier und könnte nicht diese Unterredung mit Ihnen führen.“
Natürlich ergab das Sinn, aber trotzdem hatte Pia das Gefühl,als wollte jemand sie dazu drängen, eine Entscheidung zu fällen, die sie im Augenblick noch nicht bereit war zu treffen.
Es stand zu viel auf dem Spiel. Die drei Embryonen bedeuteten, dass sie womöglich Drillinge bekam. Das hieß drei Babys! Sie lebte in einer winzigen Wohnung. Wie sollten sie da alle hineinpassen?
Sie griff nach der Wasserflasche und hielt sich daran fest, als wäre es ein Rettungsring, der sie davor bewahren konnte, im Strudel der Ereignisse zu ertrinken. Aber nachdem sie von Raoul und Keith erfahren hatte, erschien ihr allein die Frage, ob sie die Kinder bekommen sollte, ungeheuer egoistisch.
„Sie müssen sich ja nicht heute entscheiden“, erinnerte Raoul sie. „Nicht einmal in diesem Jahr.“
„Mag sein. Wenn ich anfange, in Panik zu geraten, dann sage ich mir, dass ich mich auf das Falsche konzentriere. Hier geht es nicht um mich. Es geht um Crystal und Keith und ihre Kinder. Wer bin ich, dass ich infrage stellen dürfte, ob ich diese Kinder bekommen soll oder nicht? Macht mich nicht allein die Frage zu einem schlechten Menschen? Sollte ich nicht vielmehr schon Hormone schlucken, ein Kinderbettchen kaufen und dieses Schwangerschaftsbuch lesen, von dem alle schwärmen? Wenn ich ein guter Mensch wäre, würde ich nicht zögern.“
Raoul schaute in Pias haselnussbraune Augen, in denen sich die unterschiedlichsten Emotionen spiegelten. Sie war vermutlich eine der ehrlichsten Frauen, die er je getroffen hatte. Verrückt, aber ehrlich. Anziehend auch, aber darüber nachzudenken, wie verführerisch sie war, schien ihm im Moment nicht gerade angemessen.
Langsam nahm er ihr die Wasserflasche aus der Hand und stellte sie auf den Tisch. Dann zog er Pia auf die Füße und schlang die Arme um sie.
„Es ist okay“, sagte er.
Stocksteif stand sie in seiner Umarmung. „Nein, ist es nicht.“
Er hielt sie weiter fest, streichelte beruhigend ihren Rücken und genoss es, ihren kurvigen Körper an seinem zu spüren.Einfach so, ohne Hintergedanken. Na ja, fast. „Hol tief Luft. Ein und aus. Komm schon. Atme.“ Unbemerkt war er zum Du übergegangen.
Als sie gehorchte, wich die Spannung langsam aus ihr.
Raoul konnte sich nicht annähernd vorstellen, was sie gerade durchmachte. Die Tatsache, dass er Crystals Mann gekannt hatte, war auch für ihn ein Schock gewesen. Für Pia war die Verbindung jedoch noch tausendmal enger.
Langsam löste er sich von ihr, legte ihr die Hände auf die Schulter und trat einen Schritt zurück, um ihr in die Augen schauen zu können.
„Du bist kein schlechter Mensch“, versicherte er ihr. „Ein schlechter Mensch würde die Embryonen im Labor liegen lassen, ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden.
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