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Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Titel: Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Thoma
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Gang.
    Während wir durch die Gassen zwischen den Holzständen schlenderten und uns die nostalgischen Waren ansahen, schielte ich immer wieder zu Sven und vergegenwärtigte mir mein Mantra: »Ich finde Sven mit jedem Tag immer attraktiver und attraktiver«. Dazu bemühte ich mich nach Kräften, meine vor vielen Jahren erloschenen Verliebtheitsgefühle für ihn zu reaktivieren. Das gelang mir zwar nicht, doch tröstete ich mich damit, dass ich erst am Anfang meines Vorhabens stand.
    Unter einem Heizstrahler ergatterten wir Plätze auf einer Bierbank und bestellten heiße Waffeln, Kinderpunsch und Glühwein.
    »Wie läuft’s denn mit Julia?«, fragte ich unverblümt.
    »Gar nicht mehr, es ist aus.«
    »Das tut mir leid«, sagte ich und mimte Betroffenheit, während ich innerlich jubelte: Das Timing war perfekt. Im Gegensatz zu mir schien Sven auch nicht so sehr an der Tatsache zu leiden dass , sondern vor allem warum Julia weg war: Sie hatte ihm auf den Kopf zugesagt, dass sie sich das Leben mit ihm aufregender vorgestellt hätte. Sein gesetteltes Dasein langweil te, und seine familiären Probleme nervten sie. Kurzum fand Julia Sven zu alt und sein Leben zu kompliziert. Für Sven war das wie ein Schlag ins Gesicht gewesen. Wie viele mittelalte Menschen fühlte er sich seinen Zeiten als Zwanzig- bis Dreißig jähriger nämlich noch ganz nah. Worüber die aktuellen Mittzwanziger nur milde lächeln konnten.
    In den nächsten zwei Stunden hüpften wir mit den Kindern auf Bungee-Trampolins, fuhren Kettenkarussell, ließen uns von Weihnachtsmännern Schokoladenherzen schenken, wärmten uns an einem Schwedenfeuer auf und aßen Zuckerwatte und Bratäpfel.
    Gegen Abend verabschiedete sich Sven und hatte es plötzlich eilig, nach Hause zu kommen. Ich war enttäuscht. Dass ich insgeheim gehofft hatte, wir könnten uns gemeinsam in den Abend hineintreiben lassen und irgendwo eine Pizza essen gehen, behielt ich aber für mich.
    »Wie lange bleibt Nele in Berlin, wollen wir uns morgen wiedersehen?«, fragte ich stattdessen möglichst beiläufig.
    »Das wird schwierig. Um neun gehe ich zum Sunrise-Yoga. Die haben eine Kinderbetreuung, in die ich Nele gebe. Danach brechen wir gleich nach Hamburg auf.«
    »Yoga? Das will ich schon seit Ewigkeiten wieder mal machen. Können wir mitkommen?«, rief ich mit so viel übertriebener Begeisterung, dass ich mich am liebsten selbst geohrfeigt hätte. Aufdringlicher ging’s ja kaum.
    »Warum nicht«, sagte Sven. »Es ist wirklich schön für die Kinder, wenn sie sich noch mal sehen. Warte, ich glaub, ich hab einen Flyer mit der Adresse dabei.«
    Sven zog ein zerknittertes Stück farbige Pappe aus seiner Jackentasche und reichte es mir. » HIP AND HOT« , las ich darauf in großen Lettern.
    Als ich am nächsten Morgen mit den Kindern in dem Yogacenter ankam, war Sven bereits im Sportoutfit. Er zeigte mir die Umkleide für Frauen und den Kinderbetreuungsraum, wo Nele sich schon auf meine Kinder freute.
    Ich zog mich um, nahm mir eine Matte und folgte Sven in den Yogaraum. Urplötzlich fühlte ich mich einem Kreislaufkollaps nahe: Hier war es locker vierzig Grad heiß. Da draußen klirrende Kälte herrschte, musste mein Körper einen Temperaturunterschied von rund siebenundvierzig Grad verkraften. Jetzt erst begriff ich, dass das »hot« im Slogan nicht, wie ich angenommen hatte, »sexy« bedeutete, sondern wörtlich zu nehmen war.
    »Die Hitze hier ist der Clou an der Sache«, raunte Sven mir zu. »Sie macht die Muskeln geschmeidiger, und außerdem entgiftet man dadurch besser.«
    »Aha«, erwiderte ich skeptisch und setzte mich auf meine Matte.
    Mandy, eine attraktive, junge Yogalehrerin mit New Yorker Akzent, läutete die Stunde mit einem lang gezogenen »Om« ein.
    Unauffällig sah ich zu Sven und erkannte schlagartig, dass ich nicht hätte herkommen dürfen, denn die Schweißperlen auf seiner Stirn, die einzeln heruntertropften, ließen die Wörter meines Mantras Buchstabe für Buchstabe davonschwimmen.
    Während ich mich bemühte, Mandys Anweisungen zur Durchführung der Sonnengrüße, Kriegerpositionen und anderen Haltungen zu befolgen, drehte ich mich noch mehrmals zu Sven um und versuchte ein letztes Mal, mir störrisch einzureden: »Ich finde Sven mit jedem Tag immer attraktiver und attraktiver.« Von der Realität hätte das jedoch nicht weiter entfernt sein können: Mit jedem Tropfen Schweiß fand ich Sven immer unattraktiver und unattraktiver.
    Als Mandy schließlich zur Übung »Der

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