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Wer hat das Rind zur Sau gemacht?

Wer hat das Rind zur Sau gemacht?

Titel: Wer hat das Rind zur Sau gemacht? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Pollmer , Andrea Fock , Monika Niehaus , Jutta Muth
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Konventionelle Landwirte hatten in ihren Betrieben jeweils eine Bioecke eingerichtet. Doch «die Bio-Schweinehaltung (wurde) nach wenigen Jahren kurzerhand kostenmindernd auf konventionelle Futtermittel rückumgestellt»; geblieben sind die Bio-Etiketten. «Bei einem weiteren Fall aus Ostwestfalen nutzten es die Täter aus, dass Öko-Kontrollstellen und Anbauverbände nur unzureichend kommunizierten.» Jeder im Verbund meldete sich bei einem anderen Bioverband. Und schon ist die Kontrolle ausgetrickst. «Dann begann zwischen den Betrieben ein reger Handel mit konventionellen Ferkeln und Mastschweinen», die auf diesem Wege biologisiert wurden. Verständlich sind diese Vorfälle allemal: Denn es gibt nun mal viel zu wenig geeignetes Biofutter, um die Mengen an Biofleisch zu produzieren. Vielleicht wollten die Landwirte ihre Tiere einfach nur artgerecht füttern.
    Natürlich mangelt es in der Szene nicht an gefälschten Zertifikaten, Lieferscheinen und Rechnungen. Oder Betrügereien, für die es keine systembedingten mildernden Umstände gibt: «Im November 2008 berichteten die Medien über einen international organisierten Bio-Getreidebetrugsfall, der sich vor allem in Deutschland, Österreich und Italien abgespielt haben soll.» Doch gegen das Syndikat waren die Biokontrollstellen machtlos: «Trotz eindeutiger Rückstandsfunde konnte der Lieferant über ein knappes Dreivierteljahr weiter liefern …» Dann machte er einfach seinen Laden zu und einen neuen auf: «Nun besteht der Verdacht, dass die angebliche Bio-Vermarktung über ein Nachfolgeunternehmen fortgeführt wird.» Da lacht den Handelshäusern das Herz, bleiben ihre Regale auch weiterhin gut gefüllt mit «Bio» – «streng kontrolliert», versteht sich. 28
    Da diese Betrügereien von den deutschen Medien bisher kaum aufgegriffen wurden, wurde die Branche immer dreister. Kurz vor Weihnachten 2011 flogen italienische Händler auf, die 700000 Tonnen konventionelle Produkte mit Hilfe einer Bio-Zertifizierungsstelle in Bioware umdeklarierten und dafür bis zu vierfach höhere Preise erzielten. An dieser Menge hat auch ein überzeugter Ökofreak lange zu knabbern. In anderen Ländern wie China berichten die Medien ganz offen darüber, dass dort die Biozertifikate an Exporteure gegen etwas Schmiergeld verkauft würden. Auch in Italien wird unverblümt ausgesprochen, was jeder weiß: Der Biosektor genießt schon lange das Wohlwollen der Mafia. 42 So wurde Italien zu einem der wichtigsten Exporteure von Bionahrung, ein echter Global Player.

Ehre, wem Ehre gebührt
    Die Ökolandwirtschaft ist an der Natur gescheitert. Die Gesetzmäßigkeiten der Ökologie haben ihr die Grenzen aufgezeigt. Mutter Natur ist eben keine wohlwollende Schutzpatronin, die die moralisch korrekte Einstellung belohnt. Längst sind die Zeiten vorbei, in denen die Menschen mit alten Landrassen, Ochsengespannen und Weihwasser im Schweiße ihres Angesichts dem Boden ihre Nahrung abrangen. Moderne Landmaschinen stecken voller Elektronik und erlauben punktgenaues Arbeiten; Extraportionen an Dünger und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln haben dafür gesorgt, dass Europa seit Jahrzehnten von Hungersnöten und Wucher verschont geblieben ist. Der technische Fortschritt sorgt dafür, dass die Schere zwischen biologischer und konventioneller Landwirtschaft immer weiter auseinanderklafft.
    All das kann das historische Verdienst der Ökobauern nicht schmälern. Sie haben durch ihren Einsatz einem Zeitgeist entgegengesteuert, der glaubte, alle Probleme mit der chemischen Keule lösen zu können, und sich dadurch immer neue Probleme schuf. Hier sei nur an die fast vergessene Herdensterilität bei Rindern durch die Überdüngung mit Stickstoff erinnert. 39 Wer biologisch wirtschaftete, wurde dafür in den 1980er und 90er Jahren von der eigenen Nachbarschaft, aber auch von Medien – egal ob Agrarblättchen oder öffentlich-rechtliches Fernsehen – abgewatscht. Die Biobauern haben damals gezeigt, dass die biologische Landwirtschaft in der Lage ist, manch ein Problem der konventionellen Produktion zu vermeiden oder zu lösen. Und das alles ohne Subventionen und gegen den Zeitgeist.
    Längst gehören die innerdörflichen Grabenkriege der Väter der Vergangenheit an. Die jüngere Generation, die heute die Betriebe führt, sah sich bei der ehemaligen «Biokonkurrenz» um und übernahm, was ihr sinnvoll erschien. Insofern hat der ökologische Landbau die konventionelle Landwirtschaft revolutioniert – das

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