Wer hat das Rind zur Sau gemacht?
klagte, dass die Vogelbestände unter der konventionellen Landwirtschaft leiden würden. Diese Art des Ökoanbaus vermindert nicht nur den Bestand an Piepmätzen, sie entzieht der Vogelwelt ihr komplettes Habitat – und nicht nur ihr.
Falls doch mal ein Käferlein den Weg zum Obst findet, wird es inzwischen von neuen biologischen Spritzmitteln, namentlich vom Azadirachtin vertrieben, das zahllosen Insekten den Garaus macht. Es wird aus den Samen des Neembaumes gewonnen. Neembaumöl ist vielen besser als alternatives Mittel gegen Hausstaubmilben bekannt. Allerdings will das Ökogift mit Bedacht verwendet werden, denn es kann auch Bienen oder Nutzpflanzen schädigen. In höherer Dosis verursacht es beim Menschen schwere Hautreizungen und gastrointestinale Beschwerden. Es ist zwar nicht schädlicher als andere moderne «synthetische» Pestizide, aber auch nicht harmloser. 16,17,34
Bio bedient also weniger den ökologischen Verstand als die Sehnsüchte aus den Bilderbüchern der Kindheit: Ein gerechter Gott schlägt den, der sich an der Natur versündigt, mit Plagen auf seinem Acker; wer sich jedoch der gütigen Mutter Erde auf leisen Ökosandalen nähert, wird aus ihrem Füllhorn mit reicher Ernte überschüttet. Wohl deshalb wollen viele Menschen nicht glauben, dass die Erträge im ökologischen Landbau deutlich niedriger ausfallen. Ein Ökobauer erntet vom Weizen gut 30 Dezitonnen je Hektar, der konventionelle Landwirt fährt Erträge von über 70 Dezitonnen ein, Spitzenbetriebe sogar bis zu 100 Dezitonnen. Im Schnitt erntet der Biobauer bei gleicher Fläche etwa 40 bis 50 Prozent weniger. Das sind weitaus dramatischere Ernteeinbußen als die 10 Prozent, von denen Bioexperten sprechen
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Wer auf «natürliche Kreisläufe» setzt, kann eben nur «natürliche Erträge» erwarten. Für die Menschen in der Dritten Welt ist Bio lediglich eine Anbauform für die Nutznießer einer Überflussgesellschaft.
Eine Versorgung der Menschheit mit Bio setzte also voraus, dass wir schleunigst eine zweite Erdkugel aus dem Kofferraum holen müssten, um die fehlende Nahrung produzieren zu können. Hier wird meist eingewandt, es würde ja genügen, weniger Fleisch zu essen, um mehr pflanzliche Nahrung zur Verfügung zu haben. Leider gilt dies Argument nicht bei Bio. Denn der Biobauer darf nur Naturdünger verwenden, nicht aber Kunstdünger. Den Naturdünger liefert sein Vieh, liefern seine Rinder, Schweine und Hühner. Da die geringen Erträge primär Folge eines Mangels an geeigneten Düngemitteln sind, brauchen Biolandwirte im Grunde mehr Tiere, wenn sie erfolgreich wirtschaften, also die Menschen mit ausreichend Nahrung versorgen wollen.
Strenggläubige haben sich gegen die Ausweitung der Tierhaltung ein weiteres Argument ausgedacht. Sie empfehlen den Anbau von Leguminosen. Hülsenfrüchte beherbergen in ihren Wurzeln sogenannte Knöllchenbakterien, die Luftstickstoff fixieren können. Als Gründüngung im Zwischenanbau werden Leguminosen wie Lupinen oder Ackerbohnen schon seit langem in der konventionellen Landwirtschaft genutzt, denn die Pflanzen lockern u.a. den Boden auf und unterdrücken den Unkrautwuchs. Als alleinige Düngung reicht das aber nicht aus, denn das im Herbst untergepflügte Pflanzenmaterial gibt den Stickstoff nicht gleichmäßig ab. Die Folgekulturen haben aber den größten Bedarf im Frühjahr, wenn die Blattbildung beginnt. 15,44 Ob der Verrottungsgrad der Leguminosen gerade dann genau richtig ist, steht in den Sternen. Denn Niederschläge können die Nährstoffe bis dahin schon zum Teil ausgewaschen haben, was zu einer Belastung des Grundwassers führt. Wer hingegen gezielt zum rechten Zeitpunkt düngen kann, der schont die Umwelt und fährt bessere Ernten ein.
Ein großes Manko ist, dass die Gründüngung kein Phosphat bereitstellen kann. Pflanzen benötigen ja nicht nur Stickstoff, um wachsen zu können, sondern auch Phosphat. Diesen wichtigen Mineralstoff bekommt der Biolandwirt derzeit nur vom Misthaufen und aus der Jauchegrube geliefert. Reicht ihm das Phosphat nicht, dann müsste er mehr Tierhaltung betreiben, mehr Fleisch, mehr Käse, mehr Wurst, mehr Eier erzeugen. Die meisten Biobauern haben mit einem Phosphatdefizit zu kämpfen: Schließlich geben sie Getreide und Gurken, Käse und Kalbfleisch an den Verbraucher ab, ohne dessen wertvolle Fäkalien (sprich die mineralstoffhaltige Nahrung für die Nutzpflanzen) als Biodünger zurückzuerhalten. Sie landen in der Kanalisation und die Nährstoffe
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