Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer hat das Rind zur Sau gemacht?

Wer hat das Rind zur Sau gemacht?

Titel: Wer hat das Rind zur Sau gemacht? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Pollmer , Andrea Fock , Monika Niehaus , Jutta Muth
Vom Netzwerk:
auf die EHEC -Gefahr hingewiesen – speziell durch Sprossen, die im Biosektor erzeugt werden. Wohlgemerkt: Damals ahnte noch niemand etwas von einer EHEC -Epidemie durch Biosprossen aus Bockshornkleesamen, die aus einer dubiosen Quelle aus Ägypten stammten und mit Bio-Etikett versehen worden waren.
    Wäre die Warnung pflichtgemäß verbreitet worden, so hätte dies sicherlich dazu beigetragen, einen erklecklichen Teil der annähernd 4000 Erkrankungsfälle zu vermeiden. Doch Rohkost ist nun mal gesund – wenn es sein muss, wird sogar eine Bundesbehörde mit Schweigen abgestraft. So konnten sich die Biosprossen zur Ursache des größten bakteriellen Ausbruchs nach dem Zweiten Weltkrieg entwickeln. Dutzende Menschen haben dies mit ihrem Leben bezahlt, weit mehr sind lebenslang auf die Dialyse angewiesen.
    Weil sich Politik und Medien indessen gegenseitig ebenso brauchen wie der Hund sein Herrchen, etablierte sich eine gesundheitspolitische Gurkentruppe – die tatsächlich vor laufender Kamera Gurken in Supermärkten inspizierte. Wollten die Gesundheitsexperten das Publikum etwa glauben machen, sie könnten EHEC -Keime mit bloßem Auge erkennen?
    Mancherorts waren sie jedenfalls mit Blindheit geschlagen. Als eine erste Spur nach Lübeck zu einem gastronomischen Betrieb führte (er sollte sich dank zugekaufter Sprossen als eine Drehscheibe für die Keime erweisen), hat das zuständige Gesundheitsamt nicht etwa die Mitarbeiter des Betriebes überprüft, was jeder halbwegs medizinisch gebildete Mensch getan hätte – dies veranlasste dafür dann der Wirt auf eigene Kosten! Hygienisches Fachwissen und Verantwortungsbewusstsein sind in Kellerkneipen offenbar solider als in so manch einer Gesundheitsbehörde.

Vor Entwarnung wird gewarnt
    Damit die Bürger möglichst rasch wieder «gesunde Rohkost» verspeisen, wurde so schnell wie möglich entwarnt. Diese Entwarnung beim Abklingen der Neuerkrankungen war seuchenpolitisch zynisch. Nicht nur, weil es noch viele andere Erreger gibt, die durch Sprossen und Schnippelsalate verbreitet werden, sondern auch, weil niemand wusste, wo die Bienenbütteler Biokeime überall hingelangt sind. Der Erreger treibt schon seit zehn Jahren sein Unwesen in Deutschland. Erstmals wurde er im Jahr 2001 bei einem an HUS (Hämolytisch-Urämisches Syndrom) erkrankten Kind in Münster diagnostiziert. 11 Da aber nur ein Teil der Infizierten sichtbar erkrankt, ist die Infektionskette meist nur bruchstückhaft zurückverfolgbar.
    Das Genom des speziellen Erregerstammes auf den Biosprossen ähnelt dem sogenannter
Enteroaggregativer Escherichia coli
( EAEC ). 14 Die kommen in Zentralafrika vor und werden von Reisenden verbreitet – egal ob durch Touristen, Geschäftsleute, Gaststudenten oder Wanderarbeiter. Da Reisedurchfälle vom Hausarzt meist mit Antibiotika behandelt werden, kommt es hier zur Resistenzbildung. Aus Sicht des BfR deutet das Resistenzmuster dieses Erregers «auf einen menschlichen Ursprung hin» – und nicht auf die Rinderhaltung. 5 Dieser EHEC wird also von Mensch zu Mensch oder durch Lebensmittel übertragen, die Infizierte zubereitet haben.
    Um der Chronistenpflicht zu genügen: Bio-Mastrinder und Bio-Milchkühe unterscheiden sich weder in Hinblick auf die Häufigkeit von EHEC noch auf die Resistenzmuster von konventionellen Tieren. 12,13 Zudem sind EHEC -Keime bei Wildtieren verbreitet, so bei Rotwild, Gämsen und Tauben. 3 Auch wenn diese EHEC s diesmal nicht die Ursache der Epidemie waren, so sind sie dennoch für sporadische Fälle verantwortlich. Ein Seuchenrisiko geht jedoch weniger von der Massentierhaltung aus, die eine bessere Kontrolle von Keimen erlaubt als die Freilandhaltung, sondern primär von der «Massenmenschenhaltung» und neuerdings ihren Massenmedien. Und man möchte sich angesichts des kollektiven Versagens des Gesundheitssystems lieber nicht ausmalen, was wohl passieren würde, wenn eines Tages eine brisantere Seuche eingeschleppt wird.

Frisch, roh und riskant
    Die EHEC -Epidemie hätte ein wichtiges Alarmsignal in Sachen Lebensmittelsicherheit und gesunder Ernährung sein können. Denn alle rohen Lebensmittel bergen ein erhöhtes gesundheitliches Risiko, egal ob Muscheln, Mett oder Möhren. Die Veränderung der Ernährungsgewohnheiten – weniger tierische Produkte und mehr pflanzliche Rohkost – hat selbstverständlich auch Folgen für die Verbreitung von Krankheiten. 2
    Meist gelangen die Erreger über organischen Dünger wie Mist, Gülle, Guano oder

Weitere Kostenlose Bücher